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■ QuerspalteArbeitsmarktmodell FC Bayern

Ein Ruck dürfte durch den Körper des Kanzlers gegangen sein, als Otto Rehhagels junge Garde am Samstag den Betzenberg zum Beben brachte. Kaiserslautern ist Deutscher Fußballmeister – wenn das kein Signal für blühende Pfälzer Landschaften ist. Fußballsiege („ein Erfolg für die ganze Region“) nahm man zuletzt gern als Indiz für regionale Selbstanfeuerungen. Fußball war schon immer das Orakel der deutschen Volksseele. „Wir sind wieder wer“ wurde 1954 bekanntlich in Kaiserslautern geschmiedet. Helmut Kohl, das ist die schlechte Botschaft des Pfälzer Siegestaumels, könnte es noch einmal schaffen.

Die gute kommt unterdessen von der Verliererseite. In München, wo Niederlagen immer auch republikweite Häme bedeuten, denkt man global, innovativ und arbeitsmarktorientiert. Der „beste Trainer der Welt“ wird nicht entlassen, man erfüllt ihm den Wunsch, gehen zu dürfen. Nörgelnde Altstars werden an der Säbener Straße nicht davongejagt, man macht sie zu Präsidenten, Vorständlern, Managern, Assistenztrainern oder Devotionalienhändlern. Bayern München ist das Arbeitsmarktmodell der Republik.

Das bescheidene Dümpeln auf dem grünen Rasen und vor laufenden Fernsehkameras („was erlauben Struunnz“) wird, so Uli Hoeneß am Sonnabend in „ran“, keine Entlassungen, Prämienabzüge oder Gehaltskürzungen zur Folge haben. Jungmillionäre straft man in München bei vollem Lohnausgleich fortan mit der Erhöhung des Konkurrenzdrucks durch Aufstockung des Kaders. Lean Production ist out. Bayern München übt sich künftig in Talent- und Genie-Overkill. Kein Basler soll sich seiner Sache noch allzu sicher sein. Jeder Posten wird dreifach besetzt. Schafft ein, zwei, viele Scholls, heißt die neue arbeitsmarktpolitische Direktive vom FC Hollywood. Das sichert die Showeffekte und erhöht die Motivation. Der Rest ist eine Frage der Kontrolle. Bei Bayern werden noch Detektive gesucht. Harry Nutt, Co-besetzt durch Harald Fricke

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