: Unheimlich alltäglich
■ Eigentlich ziemlich sympathische Jungs, denkt man - Daniel Schweizer hat einen klugen Film über die Hammerskins gemacht, die sich als "SS der Bewegung" sehen ("Skin or die", 20.45, arte)
Dokumentationen über die rechte Szene sind zur zweischneidigen Angelegenheit geworden. Die negative Zeichnung Rechtsradikaler durch die Medien hat die Attraktivität der Szene eher gesteigert. Der Versuch der Aufklärung muß als gescheitert angesehen werden.
Der Schweizer Regisseur Daniel Schweizer hat es bei seinem Film über die sogenannten Hammerskins anders gemacht. An die 20.000 Hammerskins soll es in Europa geben, dazu 10.000 in den USA. Der Regisseur hat einige von ihnen anderthalb Jahre lang begleitet: Schweizer, Polen, Dänen, ein paar Deutsche. Daniel Schweizer vermeidet in „Skin or die“ jegliche Dämonisierung, indem er auf alles Brutale oder Reißerische verzichtet. Das Skin-Leben in Schweizers Film verläuft im ureigensten Wortsinn unheimlich alltäglich. Damit trifft der Regisseur tatsächlich ins Schwarze.
Die Hammerskins beispielsweise begreifen sich als Elite – nicht als johlende SA, sondern als die „SS der Bewegung“, wie einer der Protagonisten sagt. Sie unterscheiden streng zwischen dumpfer Brutalität und „edlerer“ Gewalt: „Die Freuden des Biertrinkens und der Jagd auf Ausländer überlassen wir anderen. Das schadet unserem Ruf.“
Der Ansatz von „Skin or die“ ist durchgehend popkulturell. Die Skin-Bewegung wird – historisch richtig – als rebellische Gegenkultur unterprivilegierter Jugendlicher dargestellt, deren Hauptausdrucksmittel derzeit die Musik ist. Das erklärt einen Aspekt der Anziehungskraft, der andere liegt in der Stilisierung der eigenen Außenseiterrolle durch die Skins.
„Protest, Feste und Demos“ gefallen auch Julie, einem der wenigen Mädchen der Szene. Regisseur Daniel Schweizer ist ein sehr, sehr intelligenter Mann. Er eröffnet seinen Film mit Einzelporträts.
Eigentlich ziemlich kluge und sympathische Jungs, denkt man. Ihr Französisch singt so schön; sie wollen auch niemanden verprügeln, sondern Jobs. Dann sieht man sie – strategisch beängstigend begabt – bei Schießübungen, auf Konzerten und Demonstrationen sind es plötzlich sehr viele. Die rechtsradikale Szene nutzt gesellschaftliches Chaos am effektivsten für sich, sagt der Film. Das hat letztlich der DVU-Wahlerfolg bewiesen. Skins, und das sagt dieser kluge Film nicht explizit, hätten auch einen anderen Weg nehmen können. Anke Westphal
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