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Oskarstolz hörbar machen

■ Von Houston an die Elbe: Christoph Eschenbach wird Chef des NDR-Sinfonieorchesters und macht „Hamburg zur Musikstadt Nr.1“

Beim NDR ist man stolz wie Oskar. Mit Christoph Eschenbach hat die Sendeanstalt an der Rothenbaumchaussee ab der Saison 1998/99 einen Dirigenten von Weltruf als Chef ihres Sinfonieorchesters engagiert. Sein Vertrag wird drei Jahre lang das Budget wohl erheblich belasten. Oder wie Intendant Jobst Plog es ausdrückte: „Auch mittelmäßige Klangkörper sind kostspielig. Was läge da näher, als noch etwas draufzulegen und ganz oben mitzuspielen?“

Diese Vorlage nimmt Eschenbach, der Herbert Blomstedt ablösen wird, gerne auf: „Die NDR-Sinfoniker sind ein Orchester von Weltklasse.“ Und stellt sofort klar, daß er sie auch in Richtung Weltspitze führen will. Man müsse ihm nur die Zeit dazu lassen. Auch Rolf Beck, Leiter des Bereiches Chor und Orchster beim NDR, stellte klar, daß bis zum Durchbruch des neuen musikalischen Konzepts noch ein Jahr vergehen würde: „Erst in der Saison 1999/2000 können wir unser Konzept so verwirklichen, wie wir es uns vorgenommen haben.“

Eschenbach liegt jener Teil der Musikgeschichte am Herzen, der bei den Sinfonikern lange Zeit brach lag: Die moderne Musik des 20. und demnächst des 21. Jahrhunderts. „Schönberg ist ja eigentlich schon ein Klassiker und nicht mehr modern zu nennen.“ Dafür fordert er Solisten von Weltruf ein, und so steht im zweiten Konzert der Saison Schönbergs Violinkonzert mit dem Geiger Christian Tetzlaff auf dem Programm. „Als wir das zusammen in Philadelphia spielten, ist ein konservatives Publikum begeistert aufgesprungen. Das wird auch hier so sein.“ Und beim Houston Symphony Orchestra, das er die letzten zehn Jahre leitete, ist man extrem traurig über seinen Abgang. Musikalische Experimente sollen nicht fehlen. Eschenbach schreckt nicht davor zurück, Mozart mit Weber zu kontrastieren – nicht durch eine Pause getrennt, sondern direkt hintereinander aufgeführt. „So kann man auch bekannte Stücke wie die Jupitersinfonie neu hörbar machen.“

Daß er in Konkurrenz zum Generalmusikdirektor der Hamburgischen Staatsoper, Ingo Metzmacher gerät, der ebenfalls einen Schwerpunkt auf die Moderne legt, stört Eschenbach nicht. Zwar solle man nicht allzu viel „in den anderen Orchestern herumdirigieren“. Aber gemeinsam könnten sie aber Hamburg zur MusikstadtNr. 1 in Deutschland machen. „Unser Programm ist viel progressiver als zum Beispiel das in München oder Berlin.“ Musik müsse immer nach vorne denken und dürfe nicht museal werden, lautet Eschenbachs Credo. Bleibt ihm bei seinen Vorhaben nur zu wünschen, daß das Hamburger Publikum bald so stolz ist auf seinen Maestro wie der NDR.

Eberhard Spohd

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