: „Türken schlachten Hunde“
■ Bremer Verlag veröffentlicht „urkomisches“ Buch mit Beschwerden an die Polizei
Wie schön, wenn man die deutsche Sprache beherrscht. So darf man sich über jene amüsieren, die täglich über die Fallstricke der deutschen Grammatik stolpern. Das müssen sich die Bremer Verleger Gabriele Siepmann und Peter Kurze gedacht haben, als sie jetzt das Buch „Liebe Ordnungshüter“ von Günter Franz veröffentlichten.
„Urkomisch“ seien die außerwöhnlichen Briefe an die Polizei, die der Autor laut Cover für dieses Buch „entdeckt, gesammelt oder erfunden“ hat, versprechen die Verleger: „Manche Briefe haben so viele Fehler, daß – mit oder ohne Rechtschreibreform – die Haare sämtlicher Deutschlehrer zu Berge stehen müssen und wirken auch deshalb sehr amüsant“. Ob dem Verlag entgangen ist, daß diese Ankündigung ebenfalls eine Fehlkonstruktion ist? Oder sollte das ein Vorgeschmack auf das Buch sein?
Dem Leser bleibt das Lachen jedenfalls im Halse stecken. Die Briefe, mit denen sich BürgerInnen bei der Polizei beschweren, sind offen rassistisch oder derart verwirrt, daß der Leser eher Mitleid bekommt mit den Absendern. Doch das ist nicht gewollt. Das Buch ist als „humorvoller Spiegel“ für all jene gedacht, die sich „einen Einblick in den Schriftverkehr mit Staatsdienern“ verschaffen, „herzhaft lachen“ und auf ihre „Kosten“ kommen wollen. „Ich möchte zu Messer wetzenden Türken folgendes bemerken“, zitiert der Autor einen Mann aus Hannover. „Es ist nicht immer wahr, daß die Türken damit Menschen bedrohen. Es sind Fleischmesser, mit denen eventuell kleine Hunde geschlachtet werden oder Katzen, da die türkischen Verwandten kein Schweinefleisch essen.“ Ein anderer Briefeschreiber beschwert sich über seinen Mieter, der ihm den Mietzins schuldig geblieben ist: „Mit dieser schweeren Bedrohung wurde bei der Staatsanwaltschaft von meiner Person eine Strafanzeige eingeleitet, mit den Antrag Herr Julio Iglesio zur Zwangsarbeit zu verurteilen und nach Auschwitz einzuweisen.“
Manche Briefe lesen sich, als würden die Absender unter Verfolgungswahn leiden. „In Wetzlar werden die Bürger mit Gas ermordet“, schreibt eine Frau. Und: „Vom Amtsgericht Wetzlar wurde ich immer bedroht.“ Ein paar Zeilen später stößt der Leser auf ein mögliches Motiv. „Danach wurde es immer schlimmer, wir konnten nichts mehr zu essen kaufen. In Wetzlar konnte ich nichts bekommen, und es wurde immer wieder gesagt, sie können hier nichts kaufen. Meine Eltern wurden dann gemeinsam ermordet. Ich wurde von der SS-Staatspolizei bedroht.“
Verlegerin Gabriele Siepmann beeilt sich zu versichern, daß die Briefe einen „hohen Wahrheitsgehalt“ hätten, aber nur zum Teil authentisch seien. „Der Autor hat da was gedreht“, verrät sie. Er habe authentische Briefe „als Vorlage“ genommen und „hier und da“ was dazugedichtet. Wieviel vom tatsächlichen „Schriftverkehr mit Staatsdienern“ übriggeblieben ist, vermag sie nicht zu sagen. Doch auf der letzten Seite steht ein verräterischer Aufruf: „Achtung! Haben Sie auch außergewöhnliche Schriftstücke, weil Sie ein Ordnungshüter, Dichter oder Staatsdiener sind? Dann stellen Sie uns diese zur Verfügung. Denn diese Reihe soll fortgesetzt werden!“
Amanda Herzlos
Günter Franz: „Liebe Ordnungshüter, außergewöhnliche Briefe an die Polizei.“ - Siepmann und Kurze, 1998, 19,90 Mark
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