■ Vorschlag
: Pop + Politics – Stella auf der Insel

Jetzt, da schon die Friseurin aus dem „Salon für die Dame“ Plateauschuhe trägt, wird es Zeit für den hippen Menschen, ins nächste Jahrzehnt voranzuschreiten und sich dort Revivalstoff abzuholen. Die 70er sind durch, die 80er warten sehnsüchtig. Im Kino geht es schon los: In „The Wedding Singer“, einem Film voller Musik von Nena, Wham! oder Kajagoogoo, hat sogar eine zu seinen besten Zeiten schon recht leichenhafte Erscheinung wie Billy Idol einen Cameo-Auftritt, als sei er tatsächlich noch ein Star. Die Musik kann da nicht zurückstehen. Stella sind aus Hamburg und haben den Pop, wie er in den 80ern großgeschrieben wurde, mit Sampler und Gitarre behutsam für die 90er neu entdeckt. Da gibt es hysterische Chöre wie von den B-52's, coole Depression wie von Joy Dicision, Melodien, die „Kauf mich!“ brüllen, und Balladen, in deren Hintergrund verträumt ein billiger Synthie piepst. Andererseits war da nicht nur Pop in den 80ern, also schrecken Stella auch vor Noise-Ausfällen nicht zurück, als wollten sie beweisen, daß sie wissen, daß damals auch Sonic Youth ihre große Zeit hatten.

Sehr Eighties ist auch, daß Stella zwar strikt verwurzelt sind in der Hamburger Schule, haben Thies Mynther, Elena Lange und Mense Reents doch zuvor bei einschlägigen Größen wie Die Regierung, Das Neue Brot, Ego Express oder Die Allwissende Billardkugel mitgetan, aber trotzdem wird hier englisch gesungen, was für eine deutsche Band in letzter Zeit etwas in Verruf geraten ist, für eine Band mit internationalem Anspruch aber natürlich immer noch unverzichtbar bleibt. Es wurde eine Menge Musik gemacht in den 80ern, eine Menge unterschiedliche, aber ein Faktor war universell: Glamour. Die Geste schien wichtiger als der Gehalt, und Authentizität wurde zu einer Kategorie für den Müllhaufen der Geschichte. Andererseits kann man politisch sein und dabei gut aussehen, was damals Gang of Four vormachten, und selbst Spandau Ballet bezeichneten sich als Sozialisten. Daß Pop und Politics kein Widerspruch sein müssen, greifen Stella heute wieder auf, nicht nur in ihren Texten, die eh ziemlich kryptisch und in alle möglichen Richtungen interpretierbar sind, auch im offenen Umgehen mit den Widersprüchen und Konflikten innerhalb der Band, seien sie geschlechtlich oder musikalisch begründet. Man kann jetzt schon Wetten abschließen, daß es bei Karstadt demnächst wieder diese lächerlichen dünnen Lederkrawatten zu kaufen gibt. Thomas Winkler

Heute, 21 Uhr, Insel, Alt-Treptow 6, Treptow