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Zehntausende fliehen aus Sudans Hungergebieten

■ Nach langer Sperrung hat die Militärregierung jetzt grünes Licht für mehr Hilfsflüge gegeben. Die Sudan-Friedensgespräche bleiben ergebnislos, die Regierung mobilisiert erneut für den Krieg

Berlin (taz) – Die Situation in Sudans Hungergebieten wird immer dramatischer. 42.000 stark ausgezehrte Flüchtlinge meldet das katholische Hilfswerk Caritas aus den südsudanesischen Städten Rumbek und Yei – Vorhut einer Massenflucht aus der südwestlichen Provinz Bahr al-Ghazal, die zwischen Regierung und SPLA- Rebellen geteilt ist und wo nach UN-Schätzungen 350.000 Menschen akut vom Hunger betroffen sind.

Die Hungernden gehören zumeist zum Dinka-Volk, das zu den treuesten Unterstützern der SPLA-Rebellen zählt und auch den Großteil der SPLA-Führung stellt. Die SPLA (Sudanesische Volksbefreiungsarmee) kämpft seit 1983 im schwarzafrikanischen Süden des Sudan gegen die islamisch-arabische Regierung in Sudans Hauptstadt Khartum.

Die Hungersnot in Bahr al- Ghazal ist nach Auffassung von Beobachtern beiden Kriegsparteien anzulasten, aber daß sie sich so verschärfen konnte, gehört zur Kriegsstrategie der Regierung. Erst als am Wochenende die Berichte aus der 83.000 Quadratkilometer großen Provinz immer dramatischer wurden, hob das sudanesische Militärregime sein Flugverbot für neue Hilfsflüge der aus Kenia operierenden Gemeinschaftsaktion von Hilfsorganisationen, Operation Lifeline Sudan (OLS), auf.

Nach Ansicht von UN-Generalsekretär Kofi Annan haben Hilfsorganisationen damit nun uneingeschränkten Zugang zu Hilfsbedürftigen im Südsudan. Auch Rebellensprecher John Luk Jok lobte: „Dies wird der OLS helfen, den Bedarf von 380.000 Menschen in Regierungs- und Rebellengebieten von Bahr al-Ghazal und 410.000 weiteren von schwerem Hunger betroffenen Menschen in anderen Teilen des Südsudan zu decken.“

Bis vor zehn Tagen durfte die OLS nur ein einziges Flugzeug für seine Hilfsflüge einsetzen. Am vorletzten Montag ließ Sudans Regierung ein zweites zu; nun kann die OLS sechs Flugzeuge einsetzen. Die vier zusätzlichen Flugzeuge werden nach Angaben des UN- Welternährungsprogramms WFP heute ihre ersten Hilfsgüter über dem Südsudan abwerfen.

Die Hilfe kommt schon fast zu spät, da in einigen Teilen des Südsudan die Regenzeit schon begonnen hat und es damit nicht mehr möglich ist, Saatgut zu pflanzen und die nächste Ernte zu sichern. Einige weitere Hilfsorganisationen liefern Lebensmittel auf dem Landweg, aber dies wird aufgrund der einsetzenden Regenzeit jetzt immer schwieriger.

Die Konzession der Regierung kam vor Beginn einer neuen Runde von Friedensgesprächen zur Beendigung des Bürgerkriegs, die am Dienstag unter Schirmherrschaft der Regionalorganisation IGADD in der Nähe der kenianischen Hauptstadt eröffnet wurde. Allerdings sind die Chancen auf Frieden dadurch nicht gestiegen. Die Gespräche blieben bis gestern ergebnislos, und niemand erwartet eine Einigung.

Offenbar hat die Regierung – die von Militärs und Islamisten dominiert wird – wieder einmal einen Verfassungsentwurf für den Sudan vorgelegt, in dem die islamische Scharia zur Rechtsgrundlage des gesamten Landes gemacht wird. Dies lehnen die Rebellen strikt ab. Die Verhandlungen werden außerdem von gegenseitigen Massakerbeschuldigungen überschattet.

Daß niemand derzeit an Frieden im Sudan glaubt, zeigte sich schon vor Gesprächsbeginn: Die National Democratic Alliance (NDA), der Dachverband von SPLA und nordsudanesischer Opposition, betonte in einer Erklärung, der Sturz des Regimes und nicht Friedensgespräche seien die einzige Lösung der sudanesischen Krise. Die SPLA setzte ihren üblichen Hauptverhandler zu Friedensgesprächen gar nicht erst ein. Die Regierung kündigte ihrerseits vorab eine neue Mobilmachung von Jugendlichen für die Kriegsfront an. Dominic Johnson

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