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Die USA setzen Israel eine Frist

Bis zum 11. Mai soll die Regierung Netanjahu dem Vorschlag Washingtons über den Truppenrückzug aus den Palästinensergebieten zustimmen  ■ Aus Jerusalem Georg Baltissen

Das israelische „Küchenkabinett“, dem vier Minister angehören, hat gestern über die Ergebnisse der Londoner Nahost-Gespräche vom Vortag beraten. Im Mittelpunkt stand die Forderung der US-Regierung nach einem 13prozentigen Rückzug aus den besetzten palästinensischen Gebieten. Eine Entscheidung soll auf der Sitzung des vollständigen Kabinetts am nächsten Sonntag getroffen werden.

Die USA haben Israel eine Frist bis zum 11. Mai gesetzt. Sollte Israel der US-Initiative zustimmen, wird Präsident Bill Clinton den israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu und Palästinenserpräsident Jassir Arafat nach Washington einladen, um die Vereinbarung zu unterzeichnen. Gleichzeitig sollen die vorgezogenen Abschlußverhandlungen über eine endgültige Friedensregelung zwischen Israelis und Palästinensern beginnen. Ursprünglich sah das Interimsabkommen vor, daß Israel zuerst alle drei Teilrückzüge durchführt. Doch hatte Netanjahu in London durchgesetzt, daß die Abschlußverhandlungen mit dem dritten Teilrückzug zusammengelegt werden.

US-Außenministerin Madeleine Albright machte deutlich, daß es keine grundlegenden Korrekturen am US-Vorschlag geben werde. „Die Einladung zu einem Treffen in Washington beruht auf diesen Ideen“, sagte sie, „und es wird keine Verwässerung dieser Vorschläge geben.“ Es ist das erste Mal, daß Washington der israelischen Regierung eine ultimative Frist gesetzt hat.

Bislang hat die Regierung nur einen Rückzug von 9 Prozent angeboten. Besonders der Druck der religiösen Rechten und die Drohung der Groß-Israel-Front in der Knesset, die Regierung zu Fall zu bringen, sollte sie dem US-Vorschlag zustimmen, machen den Ausgang der Abstimmung am Sonntag ungewiß.

Unklar blieb gestern auch, ob Netanjahu selbst dem US-Vorschlag zustimmt oder das Sagen den Hardlinern im Kabinett überlassen wird. Gestern erklärte er im israelischen Rundfunk, daß er nach Washington fahren werde, um „Frieden und Sicherheit“ zu erreichen, sich einem „US-Diktat“ aber nicht beugen werde.

In der Altstadt von Jerusalem wurde unterdessen gestern erneut ein Yeshiva-Schüler mit Messerstichen ermordet. Und am Mittag erschoß ein israelischer Siedler im Westjordanland einen Palästinenser, der ihn angeblich zuvor angegriffen hatte.

Die palästinensische Autonomiebehörde dementierte gestern einen Bericht, wonach Arafat die Ortschaft Abu Dis bei Jerusalem als Hauptstadt akzeptiert habe. Auch ein Mitglied des US-Forums für auswärtige Beziehungen, vor dem Arafat diese Äußerungen gemacht haben soll, dementierte den Bericht. Beide Seiten erklärten, Arafat habe lediglich von „verschiedenen Plänen gesprochen, die als Grundlage zur Lösung der Jerusalemfrage“ dienen könnten.

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