: Schnelle „Fehlleistung der Justiz“
■ Zum zweiten Mal müssen sich neun Kasachen wegen Vergewaltigung vor dem Landgericht verantworten
Eine Moskauerin sucht eines nachts Schutz in einem Polizeirevier. Gründe nennt sie zunächst nicht. Erst dem Jugendnotdienst offenbart die 15jährige ihre schrecklichen Erlebnisse in einem Wandsbeker Aussiedlerlager: Sie sei vergewaltigt worden, berichtet die junge Frau. Seit gestern müssen sich neun Kasachen im Alter zwischen 19 und 37 Jahren deswegen vor dem Landgericht Hamburg verantworten.
Ihnen wird vorgeworfen, die Heranwachsende im Sommer 1996 wochenlang bedroht und mit wechselnder Beteiligung mehrfach sexuell mißbraucht zu haben. Überdies hätte die kasachische Skinhead-Gruppe eine andere, 16jährige Russin in der U-Bahn attackiert und in einer Bahnofstoilette vergewaltigt.
Es ist die zweite Auflage des Prozesses. Das erste Verfahren war im April nach fünftägiger Vernehmung des mittlerweile 17jährigen Opfers wegen Erkrankung eines Richters geplatzt. Damals gaben die Männer zwar Sexualkontakte zu, behaupteten aber, es sei mit Billigung der „Stadthure“ geschehen.
Auch der Neubeginn des Prozesses stand gestern unter keinem guten Stern: Das Landgerichts-Präsidium wollte das Verfahren beschleunigen, weil sechs Angeklagte in Untersuchungshaft sitzen. Deshalb wurde der Fall einer extra gebildeten „Hilfskammer“ übergeben. Diese „Fehlleistung der Justiz“ rügte nun die Verteidigung, da den Männern damit die „gesetzlichen Richter entzogen“ worden seien. Schließlich hätte die Kammer, die im April das Opfer vernahm, das Verfahren nach Genesung des Richters wieder aufrollen können. Sollte die Rüge Erfolg haben, befürchten die Nebenkläger, werden die Kasachen möglicherweise aus der U-Haft entlassen.
Auch die Nebenklage mahnte das Gericht, das Prozedere „penibel zu überprüfen“, da die Opfer sonst in einem Revisionsverfahren zum dritten Mal der Tortur einer Vernehmung ausgesetzt würden. „Das wäre für alle wirklich eine Katastophe“, gestand der Kammervorsitzende Wolfgang Backen.
Der Prozeß wird am Dienstag fortgesetzt. Kai von Appen
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen