: Lieber barfuß als mit schwarzen Socken
■ Mit dem überraschenden Abbruch der Sondierungsgespräche mit der CDU erfreut der sachsen-anhaltinische Ministerpräsident Reinhard Höppner die CDU-Spitze und bringt seine Parteiführung in eine schwierige Lage
Berlin/Magdeburg (taz/AP) – Über Monate bot die SPD ein geradezu unheimliches Bild der Geschlossenheit, seit gestern mittag ist die sozialdemokratische Welt wieder die alte. Der sachsen-anhaltinische Ministerpräsident Reinhard Höppner verkündete in Magdeburg das Scheitern der Gespräche mit der CDU über eine Große Koalition, kaum daß sie begonnen hatten, und überraschte damit auch seine Genossen in Bonn. Anlaß der Auseinandersetzung mit der CDU war eine Vereinbarung zum parlamentarischen Umgang mit der Deutschen Volksunion (DVU), die die SPD mit der CDU treffen wollte. Darin wird gefordert, daß SPD und CDU konsequent dafür eintreten, „daß SPD, CDU und PDS im Landtag alle Möglichkeiten nutzen, um die Wirksamkeit der rechtsextremistischen DVU zu bekämpfen. Dazu werden zwischen den drei Fraktionen SPD, CDU und PDS verbindliche Absprachen getroffen.“
Diese Vorbedingung war jedoch für die CDU unannehmbar. Die Landtagsfraktion erklärte nach dem Scheitern, sie sei nicht bereit, die PDS „als dritten gleichberechtigten Partner in feste parlamentarische Absprachen einzubeziehen“. Die CDU warf dem parlamentarischen Geschäftsführer der SPD, Jens Bullerjahn, vor, den Konflikt um die Haltung der DVU kurzfristig inszeniert zu haben, um einen Vorwand für das Scheitern der Verhandlungen und ein erneutes Zusammengehen mit der PDS zu finden.
Den gleichen Vorwurf erhob Höppner in die entgegengesetzte Richtung. Er beschuldigte die Union, am Scheitern der Verhandlungen interessiert gewesen zu sein. Die CDU habe zum Umgang mit der DVU lediglich einen Konsens mit der SPD angestrebt. Für Höppner sei damit weiteren Verhandlungen mit der CDU der Boden entzogen. Er kündigte die baldige Bildung einer SPD-Regierung an. Verhandlungen mit der PDS zur Regierungsbildung schloß er aus.
Dieses Vorgehen Höppners wird von der Parteispitze nicht gutgeheißen. Kanzlerkandidat Gerhard Schröder ließ über den Bundesgeschäftsführer Franz Müntefering mitteilen, er lege Wert auf die Feststellung, daß er es begrüßen würde, wenn der Gesprächsfaden nicht dauerhaft abgerissen sei. Ähnlich äußerten sich auch der Fraktionsvorsitzende Rudolf Scharping und der Parteivorsitzende Oskar Lafontaine. Schröder sagte, daß „eine stabile Regierung“ das Ziel in Sachsen-Anhalt bleiben müsse.
Hintergrund dieser unterschiedlichen Erwartungen ist eine Kontroverse zwischen der SPD-Spitze und den sachsen-anhaltinischen Sozialdemokraten um die Fortführung des Tolerierungsmodells. Höppner wollte nach der Wahl eigentlich die Zusammenarbeit mit der PDS fortsetzen und sah mit der CDU kaum eine Ebene der Zusammenarbeit. Die Führung der Bundespartei befürchtete einen erneuten Lagerwahlkampf der CDU, sollte das Magdeburger Modell fortgesetzt werden.
Der CDU/CSU-Fraktionsvorsitzende im Bundestag, Wolfgang Schäuble, wertete den gestrigen Abbruch der Gespräche denn auch prompt als Indiz dafür, „daß es gelogen ist, wenn die Sozialdemokraten sagen, sie würden in Bonn unter gar keinen Umständen mit der PDS gemeinsame Sache machen“. Auch der FDP-Vorsitzende Wolfgang Gerhardt warf der SPD vor, sie setze auf die „Machtoption PDS“. Die PDS zeigte sich ihrerseits erfreut über das Scheitern der Gespräche. „Unsere Tür steht offen“, frohlockte der Parteivorsitzende Lothar Bisky. Die Gespräche zwischen PDS und SPD würden sicher fortgesetzt, „Vorbedingungen stellen wir nicht“. Die SPD muß sich nun entscheiden, unter welchen Bedingungen sie sich darauf einläßt. dr Tagesthema Seite 3
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