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Polizei sucht Szene

■ Seit zwei Monaten im Amt: Der neue Jugendbeauftragte der Polizei, Ralf-Gunter Pestrup

Er besetzt ein Amt, das es in Bremen lange Jahre einfach nicht gab: Der neue Jugendbeauftragte der Bremer Polizei Ralf-Gunter Pestrup soll jetzt Jugendarbeit und Polizei zusammenbringen. Sein Vorgänger Wolfgang Merdes blieb nur zehn Monate, dann ging er in Vorruhestand. Jede Menge Aufbauarbeit muß der Kriminalhauptkommissar nun leisten. So gab es vor rund 15 Jahren sogar einmal Jugendschutzbeamte vor Ort, die dann aber wegrationalisiert wurden. Wir sprachen mit dem neuen Jugendbeauftragten über Fehler der Vergangenheit und seine Ideen für die zukünftige Arbeit der Polizei.

taz: Die Polizei hat den Kontakt zur Jugend verloren, Fälle werden nur noch bürokratisch abgearbeitet. Das ist die Bilanz Ihres Vorgängers. Wie würden Sie bilanzieren?

Ralf-Gunter Pestrup: Ich habe von 1982 bis 1984 selber in der Bremer Jugendinspektion gearbeitet. Da waren wir durch das tägliche Arbeitsgeschäft sehr fit und kannten uns in der Szene gut aus. Als die Jugendinspektion dann wegen Einsparungen aufgelöst wurde, wurden die Fälle nur noch rein sachlich nach Delikten orientiert bearbeitet. Und da war dann keiner mehr, der sich mit Jugendlichen schwerpunktmäßig auskannte und szenekundig war.

Sie wollen daran wieder etwas ändern?

Ja. Denn wir haben ja bei der Polizei bereits mit einer Neuorganisation unserer Arbeit begonnen – zum Beispiel mit dem Probelauf West. Dort sind die Beamten jetzt viel mehr vor Ort unterwegs. Ich hoffe, daß es sich in diesem Rahmen realisieren läßt, daß wir in den Stadtteilen Beamte haben, die sich etwas mehr um das Thema Jugendkriminalität kümmern. Wir brauchen einfach Leute, die sich die Sache im Stadtteil genauer ansehen. Und das darf nicht nur nebenher laufen, sondern das müssen wir als wirklichen Schwerpunkt erkennen.

Wie wollen Sie ihre Beamte dafür sensibilisieren? Ihr Vorgänger sprach von zum Teil auch negativen Emotionen der Polizei gegenüber Jugendlichen?

Die Kollegen im Probelauf im Bremer Westen sind sehr engagiert an diese Reform herangegangen. Das macht deutlich, daß sehr wohl ein Interesse besteht. Deshalb werden sich sicher viele freuen, wenn ein Startsignal gegeben würde. Man muß den Leuten allerdings auch über Fortbildungen das nötige Rüstzeug dazu mitgeben.

Aber dazu brauchen Sie Geld und Ressourcen. Was sagen denn der Polizeipräsident und der Innensenator dazu?

Seit zwei Wochen stehen bei uns Sparrunden ins Haus. Das ist natürlich äußerst mißlich, wenn man gerade die Ärmel hochkrempeln will, um neue Aufgaben zu bewältigen. Ich bin aber jetzt mit denen verabredet, die in der Polizei für die Organisation verantwortlich sind. Vielleicht ist es eine Chance, daß wir jetzt gerade Aufgaben effektiver verteilen und dabei Gewinne für uns herausspringen – um vom drastischen Anstieg der Jugendkriminalität wegzukommen.

Wie wollen Sie das realisieren?

Wir haben repressive und präventive Möglichkeiten. Über die Strafanzeige die Chance, die Straftat aufzuklären. Durch zum Beispiel den Täter-Opfer-Ausgleich kann man das dann mit beiden Seite aufarbeiten – und hätte dadurch die Chance, künftige Straftaten zu verhindern. Auf der anderen präventiven Ebene sehe ich über die angezeigte Tat, was im Bereich der Jugendkriminalität passiert: Wo läuft was und wer macht was und wie kann ich das verhindern? Muß ich Opfer anders aufklären? Muß ich zu gewissen Zeiten irgendwo präsent sein, oder, oder, oder? Bis hin zu dem Punkt, daß man Sozialarbeiter auf besonders schwierige Cliquen aufmerksam macht. Und gemeinsam fragt, wie man das verhindern kann.

In Hamburg geht es auch darum, den Kontakt zu halten. Die Beamten sind dort auf Großveranstaltungen oder in Diskos präsent. Soll das hier auch so laufen?

Das würde sicherlich den ersten Rahmen sprengen. Als mittelfristigen Lösungsansatz würde ich das natürlich begrüßen. Aber wir müssen halt sehen, wie unsere personellen Möglichkeiten sind. Außerdem haben wir ja schon Beamte, die in Schulen gehen und Kontakte herstellen. Fragen: Katja Ubben

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