piwik no script img

Bankraub auf irisch Von Ralf Sotscheck

In Irland funktioniert Bankraub anders. Während es in den meisten Ländern die Banken sind, die hin und wieder beklaut werden, so haben sie auf der Grünen Insel den Spieß umgedreht: Sie stehlen das Geld von den Kunden – und damit meine ich keineswegs nur die abenteuerlichen Gebühren, die man bereits entrichten muß, wenn man sich auch nur in die Sichtweite der Bank begibt. Denn die sind legal.

Illegal war dagegen die kreative Kontoführung der National Irish Bank (NIB). Die Filialen veranstalteten am Ende jedes Vierteljahres, wenn die Kontoauszüge fällig waren, eine Verlosung, um die Opfer auszuwählen. Bei deren Auszügen erhöhte man heimlich die Zinsen für den Überziehungskredit. Weil der Computer aber eine ehrliche Haut ist und bei einer solchen Sauerei nicht mitspielt, mußte der Bankdirektor für die Sonderzinsen einen Auszahlungsbeleg im Namen des Kunden ausfüllen, um den Rechner zu überlisten.

Jetzt stimmte zwar der elektronische Kontostand, aber auch der gutgläubigste Kunde würde stutzig, wenn er auf seinem Auszug eine unbekannte Abhebung entdeckt. Deshalb vernichtete die Bank die Computerauszüge und tippte neue, bei denen das angeblich ausgezahlte Geld zu den Zinskosten hinzuaddiert war. Gerade bei Leuten mit einem Dispositionskredit, bei dem es ohnehin fast unmöglich ist, die korrekten Zinsen auszurechnen, funktionierte der Raubzug vorzüglich.

Dabei steckten sich die Bankräuber das Geld nicht mal in die eigene Tasche, sondern lieferten es beim Boß ab – der NIB-Hauptgeschäftsstelle. Die setzte ihre 51 Filialleiter nämlich unter Druck, damit sie noch mehr Geld heranschafften. Regelmäßig veröffentlichten sie die Tabelle der Top- Diebe, die besten bekamen eine Prämie. Bei einer solchen Praxis gibt es natürlich auch Verlierer, und einer von ihnen hat ausgepackt.

NIB sei kein Einzelfall, meint Peter Tuite. Er hat die Firma Audit Ireland gegründet, die den Kunden dabei hilft, den Banken auf die Schliche zu kommen. Es war ein langgehegter Racheplan: In den sechziger Jahren weigerte sich eine Bank, ihm ein Konto zu eröffnen. Später arbeitete er selbst in einem Geldinstitut, um die Tricks der Räuber im dunklen Anzug zu lernen. Nach seiner Pensionierung wechselte er die Seiten. Er schätzt, daß 80 Prozent aller Firmen rund 20 Prozent zuviel Zinsen zahlen. Dabei geht es um hübsche Sümmchen, manchmal um 100.000 Mark im Jahr. Ein befreundeter Bankdirektor, seit ein paar Jahren auf Rente, erzählte mir, daß seine Tochter einen Kredit für ein Haus beantragt hatte. Er rechnete das Bankangebot nach und stellte fest, daß man ihr über die Kreditlaufzeit von 20 Jahren rund 75.000 Mark zuviel abknöpfen wollte. Wenn die Banken es schon bei ihren eigenen Leuten probieren, welche Chance hat ein Amateurgeldborger?

Kurz bevor das irische Fernsehen die Geschichte über die kriminellen Machenschaften der Bank ausstrahlen wollte, meldete sich Philip Halpin vom NIB-Vorstand bei der Fernsehanstalt und verlangte eine Entschuldigung: Die Reporter hätten unberechtigt seine Bank gefilmt. Das ist etwa so, als wenn ein zum Tode Verurteilter sich beschwert, daß seine Henkersmahlzeit versalzen war.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen