Sandkasten: Zu früh, zu naß, zu kalt
■ Wurde am Hamburger Rothenbaum das 19 Millionen teure Dach in den Sand gesetzt?
Mark Miles, Chef der Spielervereinigung ATP, machte dem Deutschen Tennis-Bund (DTB) und seinem Turnier in Hamburg artig Komplimente. „Die Spieler müssen jetzt entscheiden“, brachte er sich geschickt aus der Schußlinie. Im Jahr 2000 installiert die ATP nicht nur einen neuen Weltranglistenmodus, sondern auch eine geänderte Turnierserie. Aus Super-9 will man Super-7 machen. Der DTB fürchtete deshalb um seine Traditionsveranstaltung am Rothenbaum, bei der mit Albert Costa und Alex Corretja mal wieder spanische Sandplatzwühler im Finale unter sich waren.
Zu früh, zu naß und zu kalt war es den Profis immer schon. Der DTB reagierte und baute für 19 Millionen Mark ein Zeltdach über dem 13.000 Zuschauer fassenden Centre Court. Ob das reicht, muß man abwarten. Die meisten Profis spielen im April gerne in der Sonne von Monte Carlo, auch um ihren Pflichtaufenthalt im Steuerparadies zu erfüllen. Drei Wochen später paßt ihnen das warme Rom besser als Hamburg, um sich auf die French Open vorzubereiten. Hamburg aber möchte sein Frauenturnier, das eine Woche früher stattfindet, mit der Männerveranstaltung zu einem Mixed-Programm zusammenlegen. Dafür will man sogar weitere Plätze bauen, die allerdings auch im Regen stehen würden.
Trotz Dach kam auch in diesem Jahr durch Dauerregen an den ersten vier Tagen der Zeitplan wieder gehörig durcheinander. Zweimal gab es sogar unfreiwillige „Night Sessions“ für 500 Zuschauer mit eindrucksvollem Stehvermögen. Aber DTB-Turnierchef Günter Sanders frohlockte ob des „gelungenen Tests“ für künftige Abendspiele. Der DTB ist jetzt daran, wie bei den US Open in New York mit einem abendlichen „Spiel des Tages“ noch einmal abzukassieren. Doch aus Lärmschutzgründen gilt bisher 21 Uhr als Deadline. Die Behörden gaben diesmal nur eine Ausnahmegenehmigung.
Mitte Juli beim Daviscup- Viertelfinale gegen Schweden will der DTB seine Anlage ein zweites Mal voll machen. Sportliche Gründe sprechen nicht unbedingt für Hamburg. Die Skandinavier wundern sich, daß sie nicht auf ungeliebtem Rasen im ostwestfälischen Halle antreten müssen. Dort gibt es bereits ein Dach, und in Hamburg wird der rote Sand gegen einen Hartplatz getauscht. „Gerry Weber hat dem DTB mit Halle 1,5 Millionen Mark und dann sogar 2,2 geboten. Diesen Gewinn sehe ich in Hamburg nicht“, versteht Frank Hofen, Pressesprecher des Haller Rasenturniers, die Marktgesetze nicht mehr.
Sorgen machen muß man sich auch um das nationale Profipersonal, das die Massen in der Becker/Stich-Nachfolge-Ära in den Bann ziehen soll. Ab dem Viertelfinale waren sie, wie in diesem Jahr so oft, nur noch Zuschauer der internationalen Elite, die momentan dominiert wird von den spanischen „Sandmännern“. Kein Turniersieg, keine Finalteilnahme für einen deutschen Tennisspieler bis zum Mai, eine einmalig schlechte Zwischenbilanz. Karl-Wilhelm Götte, Hamburg
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