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"Zwangsweise normaler geworden"

■ Vier Jahre nach dem Abzug der Alliierten hat sich das Verhältnis zu den Amerikanern normalisiert. Die Beziehungen gründen sich nicht mehr auf die unbeschränkte Macht des Stadtkommandanten, sondern auf intel

Als der amerikanische Bundesrichter Herbert Stern 1978 nach Berlin kam, fand er ein besetztes Land vor. Auf den Besitz eines langen Brotmessers stand die Todesstrafe, der Telefonverkehr wurde massiv abgehört, und der Regierende Bürgermeister durfte nach den Senatssitzungen jeweils beim alliierten Verbindungsoffizier Rapport erstatten. Vier Jahre nach dem Abzug der Amerikaner ist dies Geschichte, das Verhältnis hat sich „erfreulich normalisiert“, wie der bündnisgrüne Abgeordnete Wolfgang Wieland vor dem morgigen Clinton-Besuch feststellt.

„Alle Macht geht vom Stadtkommandanten aus“, plakatierte die Alternative Liste in den siebziger Jahren im Wahlkampf und beschrieb damit die Realität. Die Alliierten, die seit Kriegsende die Stadt als westlichen Vorposten der Demokratie schützten, scherten sich wenig um demokratische Spielregeln. Wie die Amerikaner vorgingen, wenn sie ein Gesetz haben wollten, schilderte Bundesrichter Stern später in seinem Buch: „Sie schreiben es auf ein Blatt Papier und übergeben es dem Bürgermeister.“

Ihre Macht übten die Amerikaner, Franzosen und Engländer über die sogenannten Berlin Kommandatura Orders aus, die nur äußerst selten veröffentlicht wurden, aber für alle Institutionen verbindlich waren. Bei der Besetzung von leitenden Positionen bei Polizei oder Verfassungsschutz mußte die Zustimmung der Alliierten eingeholt werden. Die Berliner Abgeordneten für den Bundestag wurden nicht gewählt, sondern vom Abgeordnetenhaus ernannt. Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts war für Berlin nicht verbindlich. Ein Verfassungsgericht wurde erst 1990 eingerichtet, als das Ende der alliierten Herrschaft absehbar war. Wie eng die Westalliierten das Korsett der Berliner Demokratie geschnürt hatten, erfuhren in den achtziger Jahren verschiedene Bürgerinitiativen. Als gegen den Bau eines Schießplatzes der Engländer in Gatow geklagt wurde, erklärten sich das Berliner Verwaltungsgericht und der Gerichtshof in London für unzuständig.

Die rot-grüne Koalition wurde 1989 schon vor dem Start an die Leine gelegt. Regelmäßig wurden die Alliierten von der SPD über den Verhandlungsstand informiert. Auch das Regierungsprogramm mußte in der geplanten Endfassung vorgelegt werden – die vereinbarte Auflösung der Freiwilligen Polizeireserve mußte daraufhin wieder gestrichen werden. Unbestätigt blieb, daß die Alliierten der SPD im Vorfeld der Regierungsbildung signalisiert hatten, der ehemalige RAF-Anwalt Christian Ströbele dürfe nicht grüner Justizsenator werden.

Vier Jahre nach dem Abzug der Amerikaner ist das Verhältnis „zwangsweise normaler geworden“, stellt Wieland fest. Wenn der grüne Abgeordnete von „Sonderbeziehungen“ spricht, die weiter gefördert werden müßten, dann meint er das positiv und bezieht sich dabei auf die Fülle von kulturellen, wissenschaftlichen und wirtschaftlichen Kontakten, die deutlich intensiver seien als beispielsweise zu den Franzosen.

Vor der Wende habe sie am Amerika Haus nur demonstriert, jetzt gehe sie regelmäßig hin, sagt Alice Ströver über ihre persönliche Normalisierung. Die kulturpolitische Sprecherin der Grünen sieht eine veränderte Haltung auf beiden Seiten. Der closed shop, den die US-Vertreter früher bevorzugten, habe sich aufgelöst. Dazu beigetragen haben Einrichtungen wie das Amerika Haus oder das amerikanische Aspen- Institut. Die Macht und Bedeutung der USA kommen jetzt eher indirekt zur Geltung. Die Schubkraft, die Michael Blumenthal in die Debatte um die Struktur des Jüdischen Museums gebracht hat, gründet wohl auch auf den Beziehungen des ehemaligen US-Finanzministers zu amerikanischen Regierungskreisen. Die jüngst gegründete American Academy wird die Kontakte weiter verstärken. Gleiches erwartet Wieland vom Umzug der US-Botschaft nach Berlin. Die Beurteilung der Amerikaner ist total gekippt, hat jedenfalls Alice Ströver festgestellt. „Früher wurde überkritisch, jetzt sehr unkritisch“ auf die US-Einflüsse reagiert. Gerd Nowakowski

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