: Waffenskandal um Sierra Leone weitet sich aus
■ Der britische Außenminister Robin Cook denkt wegen der Söldner-Affäre an Rücktritt
Berlin (taz) – Zehntausende von Menschen sind am Sonntag in Freetown, Hauptstadt des westafrikanischen Sierra Leone, auf die Straßen gegangen, um ihre Solidarität mit dem britischen Botschafter Peter Penfold zu bekunden. In Aufrufen regierungstreuer Medien zu der Demonstration wurde Penfold als „Held“ und „Heiliger“ bezeichnet. Penfold, der derzeit nach London zurückgerufen ist, steht im Zentrum des Deals zwischen Sierra Leones Präsident Ahmed Tejan Kabbah und der britischen Söldnerfirma „Sandline“ vom Juli 1997. Damals hatte Sandline vereinbart, den im Mai 1997 gestürzten Präsidenten Kabbah mit Militärhilfe wieder an die Macht zu bringen. Kabbah wurde im Februar 1998 von Nigerias Armee als Präsident wiedereingesetzt. Der Sandline-Deal hat in Großbritannien zu einer politischen Krise geführt, weil die Militärhilfe für Kabbah möglicherweise UN-Resolutionen brach und führende britische Beamte Bescheid wußten.
Der britische Außenminister Robin Cook hat inzwischen seinen Rücktritt für den Fall angeboten, daß die von ihm eingesetzte unabhängige Untersuchungskommission zu der Affäre eine Verantwortung seinerseits feststellt. Die oppositionellen Liberaldemokraten forderten, die Untersuchungskommission solle ihre Arbeit auf das Verteidigungsministerium ausweiten. „Sandline“-Chef Tim Spicer hatte am Wochenende gesagt, er habe eng mit Beamten des Verteidigungsministeriums zusammengearbeitet.
Nach einem Bericht des Londoner Independent hat die Affäre noch ein viel größeres Ausmaß als bisher angenommen. Bis zu 150 Tonnen Waffen seien im Januar und Februar von vier verschiedenen Firmen an Sierra Leones Präsident Kabbah im guineischen Exil geliefert worden. Bisher war nur bekannt, daß die Firma „Sky Air Cargo“ im Sandline-Auftrag 35 Tonnen Waffen über Nigeria an Kabbah liefern sollte – die Waffen wurden von Nigerias Armee in Sierra Leone einbehalten. Die Times berichtete, die von Nigeria einbehaltene Waffenlieferung komme jetzt in Sierra Leone doch noch zum Einsatz. Nigerias Eingreiftruppe kämpft derzeit im Osten des Landes gegen die letzten Reste des Militärregimes, das zwischen Mai 1997 und Februar 1998 das Land beherrschte. D.J.
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