Kommentar
: Warum die Aufregung?

■ Die SPD könnte Hintzes Volksfront-Kampagne einfach übergehen

An einen trüben Aufguß der Rote-Socken-Kampagne als Erfolgsstrategie für einen Wahlsieg der Union glaubt nicht einmal Wolfgang Schäuble. Daran glaubt fast nur die SPD-Führung. Andernfalls hätten sich die Spitzenpolitiker der Partei nach den Wahlen in Sachsen-Anhalt ganz einfach auf das Nächstliegende eingestellt: Der gestärkte SPD-Ministerpräsident wird von der PDS mitgewählt. Die Genossen setzen auch bei anderen Fragen ihre Zusammenarbeit mit der ostdeutschen Regionalpartei fort. Der CDU-Generalsekretär reißt die Arme hoch und warnt vor Volksfront und Kommunismus. SPD-Politiker zucken bundesweit mit den Schultern und reden über ernsthafte Themen wie Arbeitsmarkt, Globalisierung und die Zukunft der sozialen Sicherungssysteme. Und dann? Dann passiert gar nichts.

Die Bevölkerung hat bisher nicht den Eindruck gewonnen, die Kooperation von SPD und PDS in Magdeburg bedrohe die Republik in ihren Grundfesten. Auch vor Bundestagswahlen läßt sich die Öffentlichkeit nicht für jedes Thema begeistern. Hintzes alberne Warnungen wären kaum beachtet worden, hätte ihnen nicht ausgerechnet die SPD-Spitze unangemessene Bedeutung verschafft. Nach Jahren der Zusammenarbeit erweckt die plötzliche irrationale Berührungsangst mit der PDS den Eindruck, die heraufbeschworene Gefahr bestehe tatsächlich.

Ein Zufall ist das nicht. Die SPD hat ein gestörtes Verhältnis zur eigenen Geschichte. Vom Revisionismusstreit bis zur deutschen Vereinigung zieht sich der vergebliche Versuch, das eigene Verhältnis zu Sozialismus und Marxismus endgültig zu definieren, wie ein roter Faden durch die verschiedenen Stadien der Parteientwicklung. Diese Tatsache läßt die SPD-Spitzenpolitiker im Westen übersehen, daß die Bevölkerung von ihnen derzeit diese Definition gar nicht verlangt. Die allermeisten Deutschen halten den Marxismus für ein abgeschlossenes Kapitel.

Für einen vernünftigen Umgang mit dem Ergebnis der Wahlen in Sachsen-Anhalt, die übrigens die SPD und nicht die CDU gewonnen hat, hätte es nicht mehr gebraucht als etwas Souveränität. Aber die läßt sich nicht einfordern. Die SPD hat sie eben nicht, da ist wenig zu machen. Deshalb merkt sie auch gar nicht, daß ihr gerade im Osten in Reinhard Höppner ein Hoffnungsträger heranwächst. Ein aufrechter Pragmatiker. Die Kombination ist selten. Bettina Gaus Bericht Seite 4