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„Letztlich ein guter Mensch“

Prominenz und Straferlaß stehen natürlich in keinem Zusammenhang. Daß Rapper Nana statt Haft Bewährung bekommt, ist Beispiel „oft praktizierter Rechtsprechung“  ■ Von Oliver Rohlf

Manchmal zieht die Gnade seltsame Kreise. In der Rechtsprechung eigentlich als letzte Ausfahrt vor dem Strafvollzug gedacht, drückt eine mit Politikern besetzte Kommission in hoffnungsvollen Fällen ein Auge zu und schickt Kriminelle zur Bewährung zurück in die Gesellschaft.

Im Fall des einst um sich schlagenden Chart-Rappers Nana hatte vergangene Woche die Senatskommission für das Gnadenwesen das Urteil des Hamburger Landgerichts, welches für den Sänger eine Haftstrafe von dreieinhalb Jahren wegen gefährlicher Körperverletzung vorgesehen hatte, zur Bewährung für fünf Jahre ausgesetzt. Nana Kwame Akbrokwa hatte Anfang der 90er im Streit mehrere Mitglieder der türkischen Familie Demir mit einem Baseballschläger angegriffen und dabei die Mutter der Familie so nachhaltig an ihren Unterarmen verletzt, daß sie wohl für lange Zeit arbeitsunfähig bleibt.

Viele empörte Menschen machten angesichts der umstrittenen Gnadenbewilligung bei der Hamburger Justizbehörde lautstark Rabatz. Von „Promi-Bonus“ war die Rede, warnende Stimmen orakelten etwas vom „Freibrief für Gewalt“. Die Kommission unter dem Vorsitz von Justizsenatorin Lore Maria Peschel-Gutzeit (SPD) begründete ihre Entscheidung mit der guten Entwicklung des ehemaligen HipHop-Hooligans zum fürsorglichen Familienvater und der nicht zu erwartenden Rückfallwahrscheinlichkeit. Zudem, so Peschel- Gutzeit, bilde der Fall Nana keine Ausnahme für Privilegierte, sondern sei vielmehr prominenter Beweis für eine oft praktizierte Rechtsprechung.

Doch damit war noch lange nicht Schluß, denn das Prinzip Prominenz bündelt bekanntermaßen vielerlei Interessen und schafft zuweilen auch seltsame Klarheiten. Und die ließen nach diesem eigentlich abschließenden Erlaß die zweite Rehabilitierung des Künstlers und Menschen in der Öffentlichkeit folgen. Allen voran stellte der stadtbekannte Privatsender Radio Hamburg den Gangsta-Popper noch vor dem Urteil vor die Wahl, sich über den Äther bei seinen Opfern zu entschuldigen oder bis zum Urteil durch Spielausschluß boykottiert zu werden. „Über 70% unserer Hörer waren der Meinung, Nana müsse sich bei der Familie Demir für seine Tat zumindest entschuldigen. Wir haben nur die Konsequenz aus einer Umfrage gezogen“, begründet Sendersprecherin Martina Müller diese fragwürdige Aktion.

Ein Privat-Radio als Moral-Instanz? „Sicher nicht“, meint Nanas Produktmanager Nefi Temur. „Das ganze war eine Geschichte, mit der nur versucht wurde, Hörerbindung zu erwirken. Wir haben nachgefragt: Bei keinem anderen Sender haben Hörer einen Boykott von Nana gefordert.“ Mittlerweile hat der gebürtige Ghanaer in nahezu allen verfügbaren Medien Stellung zu seiner Tat bezogen, und auch Radio Hamburg spielt wieder seine Lieder. Eine Kombination aus gegenseitigem Medieninteresse und GEMA-Druck hat's wohl möglich gemacht.

„Dazu hat sich Nana ganz allein entschieden, ohne Druck von unserer Seite“, wie Temur versichert. Schließlich sollen und wollen alle wissen, daß da jetzt ein anderer Künstler rappt als der von früher. Schuldig sei er, so Nana am Montag in Akte 98, keine Frage, und, ja, er habe damals einen schweren Fehler begangen. Warum er auf die Familie Demir eingedroschen hat, kann Nana auch nicht genau sagen. Aber er sei „letztlich dennoch ein guter Mensch“, so ganz tief drinnen. Na denn...

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