piwik no script img

Flottbek ohne Flüchtlinge

■ Bürgerschaft diskutiert Widerstand gegen Flüchtlingsunterbringung

Mit Protestgeheul wehrt sich derzeit die Bevölkerung von Groß Flottbek gegen die Unterbringung von Wohnschiff-Flüchtlingsfamilien in ihrem schönen ruhigen Viertel. Denn weil immer weniger AussiedlerInnen kommen, sind in dem vergleichsweise komfortablen Pavillion-Dorf am Hemmingstedter Weg über 150 Plätze frei. Gestern nun debattierte die Bürgerschaft in der Aktuellen Stunde, wie der Widerstand zu bewerten ist.

„Flottbek ist keine Insel mit heraufgezogener Zugbrücke“, stellte die GALierin Dorothee Freudenberg klar. Alle Stadtteile trügen Verantwortung für Flüchtlinge. Hoffnung mache ihr zwar, daß es inzwischen auch Solidaritätsgruppen gebe. Aber der Protest der Initiative „Bürgerbegehren“ trage rechtsextreme Züge. In Postwurf-sendungen sei den Asylsuchenden „eingeschränktes Rechtsbewußtsein“ unterstellt worden. Sie könnten sich mit ihren „angestammten Lebensgewohnheiten nicht in die nordeuropäischen einfügen“.

Bürgerschaftspräsidentin Ute Pape, die für die SPD sprach, vergriff sich daraufhin im Ton. Die AnwohnerInnen als fremdenfeindlich zu bezeichnen, sei „ungeheuerlich und überhaupt nicht hilfreich“. Man müsse die Bevölkerung eben überzeugen. „Daß Sie bei der GAL noch immer nicht verstanden haben, daß man für eigene Positionen auch werben muß, kann einen schon sehr verwundern“, so Pape.

Zur Erleichterung der GAL sieht Sozialsenatorin Karin Roth (SPD) das entschieden anders. Auch sie betonte, daß zwar aufgrund der Proteste ein Dialog nötig sei, es gebe aber „keine Alternativen für eine veränderte Nutzung“. Die SPD-Abgeordnete Cornelia Walther erinnerte daran, daß es auch bei der Errichtung des Pavillion-Dorfes für AussiedlerInnen Proteste gegeben habe. „Da waren die Ressentiments auch schon da.“

Daß die Unterkunft nun doch, anders als versprochen, länger als geplant genutzt werden soll, empfinden AnwohnerInnen als „Wortbruch“. Auch die CDU zunächst. Der zweite CDU-Redner Wolfgang Ploog allerdings schon nicht mehr. Die Reaktionen der Leute „verstehe ich auch nicht ganz“, sagte er.

Silke Mertins

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen