■ Vorschlag
: Arnaud Bédouets „Kinkali“ als Lesung in den Sophiensälen

Über Afrika nachzudenken ist hierzulande Sache versprengter Arbeitsgemeinschaften, institutionalisierter Projekte, ethnologischer Seminare – und einzelner, engagierter Medien. Innerhalb der deutschen Kulturszene indes bleibt der ehemals dunkel lockende Kontinent eine Marginalie. Reduziert auf zwei Gesichter – die mystische Stammesmaske einerseits, die schmerzverzerrte Fratze postkolonialer Selbstzerfleischung andererseits –, übersteigt Afrika als das radikale und monströse Andere selbst den „globalen“ Horizont.

Anders in Frankreich, wo die Ausläufer der Kolonialgeschichte in die politische Gegenwart greifen. Der weiße Schauspieler und Dramatiker Arnaud Bédouet gehört zu jener Künstlergeneration, deren Biographie mit dem Schwarzen Kontinent eng verbunden ist. „Kinkali“, sein mit dem „Prix Molière“ ausgezeichnetes Debütwerk, zählt in den neunziger Jahren zu einer der differenziertesten dramatischen Umsetzungen des europäisch-afrikanischen Konflikts. Bédouet entwirft darin – zeitlich noch vor den Massakern in Ruanda – eine apokalyptische Situation, in der Stammesrivalitäten in einem „modernen“ Reißbrettstaat westlichen Typus blutig kollabieren.

Es könnte an vielen Orten Afrikas stehen, das ruinöse Hotel von Kinkali, einem fiktiven Dorf im Busch. In der verrottenden Empfangshalle verharren sechs Menschen, vier weiße und zwei schwarze, in Furcht und Ungewißheit. Kinkali ist besetzt, das Hotel eingekesselt von Militärs, die im Auftrag der Regierung das angeblich aufständische Dorf gewalttätig räumen. Die Protagonisten im Hotel umkreisen einander, streiten, lieben, reden, ohne sich wirklich nahezukommen. Vor dem Hintergrund äußerster Anspannung entblättert Bédouet vorsichtig ihre Persönlichkeiten und Schicksale. Ob der zornig-idealistische Arzt Antoine, die gestrandete Prostituierte Marie-Annick oder der resignierte Kulturattaché Pierre: sie alle sind gezeichnet von der Tragödie eines aus den Fugen geratenen Landes. Zugleich wird die afrikanische Situation zur Metapher einer existentiellen Haltlosigkeit, die sich räumlich nicht eingrenzen läßt.

Regisseur Stephan Stroux hat das Drama nicht nur ins Deutsche übersetzt, sondern außerdem eine hochkarätige Besetzung engagiert. Unter seiner Regie werden heute abend Barbara Nüsse, Sheri Hagen, Ekkehart Schall, Hermann Treusch, Guntram Brattia und Jonathan Kinsler das Stück in den Sophiensälen vorstellen. In Anwesenheit von Arnaud Bédouet, der am selben Abend seinen vierzigsten Geburtstag feiert. Eva Behrendt

Heute um 22 Uhr im Festsaal der Sophiensäle, Sophienstr.18