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Milošević und Rugova an einem Tisch

Der US-Diplomat Richard Holbrooke schafft es, ein Treffen zwischen Jugoslawiens Präsident und dem Chef der Kosovo-Albaner einzufädeln. Morgen findet das Gespräch statt. Optimismus scheint verfrüht  ■ Aus Belgrad Andrej Ivanji

Belgrad (taz) – Der amerikanische „Bulldozer“, Richard Holbrooke, hat es im Alleingang geschafft: „Der jugoslawische Bundespräsident, Slobodan Milošević, und der Leader der Kosovo-Albaner, Ibrahim Rugova, werden sich am Freitag in Belgrad treffen“, erklärte ein unausgeschlafener, doch sichtlich zufriedener Holbrooke gestern in Belgrad. Er begrüße Milošević' Bereitschaft, die persönliche Verantwortung bei der Suche nach einer Lösung des Kosovo-Problems zu übernehmen, sagte Holbrooke und fügte hinzu: „Dies ist nur ein kleiner Schritt und der Anfang, denn die großen Unterschiede zwischen den beiden Seiten bestehen weiter.“ Die Gespräche sollen in einer Woche in Priština fortgesetzt werden. Danach sollen Milošević und Rugova einmal wöchentlich zusammenkommen, und das solange, bis eine Lösung gefunden ist. Wie diese Lösung aussehen könnte, verriet Holbrooke allerdings nicht.

Vier Tage war Holbrooke, der „Architekt“ des Abkommens von Dayton, mit unerschöpflicher Energie zwischen Belgrad, Priština und Tirana gependelt. Und wieder hatte er allen gezeigt, wie hartnäckig und geduldig man auf dem Balkan vorgehen muß. Über 20 Stunden lang verhandelte er allein mit Milošević und telefonierte in den Pausen mit Präsident Bill Clinton. Den möglichen Vorwurf, daß EU und OSZE bei der Mission umgangen wurden, versuchte Holbrookes Nachfolger, Robert Gelbard, zu begegnen. Er betonte, daß die USA umgehend die UN und die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) informieren würden. Er wolle die Vertreter der G-8-Gruppe bei ihrem Gipfel in Birmingham an diesem Freitag unterrichten. Washington wolle auch umgehend um ein Treffen der internationalen Kontaktgruppe ersuchen, um ihre kürzlich gefaßten Sanktionsbeschlüsse gegen Jugoslawien zu „revidieren“.

Zwar kann Holbrooke einen sensationellen Fortschritt bei der Lösung der Kosovo-Krise verzeichnen, doch ganz ohne Schönheitsfehler ist sein Erfolg nicht. So konnte Belgrad durchsetzen, daß die Gepräche mit den Kosovo-Albanern formal ohne internationale Vermittler beginnen. Mit der offiziellen Formulierung, Präsident Milošević habe Rugova nach Belgrad eingeladen, um Gespräche ohne Vorbedingungen über Kosovo zu beginnen, wird Milošević ermöglicht, sein Gesicht zu wahren und sich als „unumgänglicher Friedensfaktor“ auf dem Balkan in Erinnerung zu bringen. Die regimenahe Belgrader Tageszeitung Vecernje Vonosti kommentierte Holbrookes Mission denn auch mit einem Artikel unter dem Titel „Mit Scharfschützen zum Dialog“. Mit Terroristen, wie den Scharfschützen der Befreiungsarmee des Kosovo (UCK), könne man nicht verhandeln, bemerkte das Blatt weiter, und jedes Kind erkenne, daß die „sezessionistische und separatistische“ politische Führung der Kosovo-Albaner hinter der Befreiungsarmee stehe.

Auf der anderen Seite hat Rugova die terroristischen Aktionen der „Befreiungsarmee von Kosovo“ nicht dezidiert verurteilt, denn ihr Ansehen in der Bevölkerung ist stark gewachsen. Nur auf Holbrookes rücksichtsloses Drängen hin schluckte Rugova die bittere Pille und stimmte einem Gespräch mit Milošević zu, das noch dazu in dessen Amtssitz stattfindet. Zweifellos wird dies seinem Ansehen bei den Albanern schaden.

Ob der Beginn der Gespräche zwischen Milošević und Rugova tatsächlich zu einer Entspannung in der umkämpften Provinz führen wird, ist fraglich. Allein während Holbrookes Besuch wurden zwei serbische Polizisten und drei Albaner bei den Auseinandersetzungen getötet. Die Befreiungsarmee verurteilt die „feige und fruchtlose“ Politik Rugovas und ruft alle Albaner auf, sich dem „Befreiungskampf“ anzuschließen. Gestern verkündete die UCK: „Wir verfolgen die Truppenbewegungen der serbischen Feinde und unternehmen Aktionen, um sie von strategisch wichtigen Stellen zu eliminieren.“ Trotzdem besteht jetzt zumindest die Hoffnung, daß der Dialog ein erster Schritt in die richtige Richtung ist.

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