: Millionen für die Industrie
■ Land Hessen muß Sondermüllabgaben vor allem an die Chemieindustrie zurückerstatten
Wiesbaden (taz) – Natürlich wird alles auf Heller und Pfennig zurückbezahlt, versichern SPD und Bündnisgrüne in Wiesbaden: 218 Millionen Mark Rückzahlungen werden fällig. Das ist die Summe, die die hessische Industrie für die „Sonderabfallabgabe Hessen“ hatte berappen müssen.
Nachdem das Bundesverfassungsgericht in der vergangenen Woche sowohl diese Umweltsteuer als auch die sogenannte Verpackungssteuer für nichtig erklärte (siehe taz vom 8.5. 1998), muß jetzt das Land – und im Fall der Verpackungssteuer auch diverse Kommunen – alle Einnahmen daraus rückerstatten. Allein 80 Millionen Mark fließen in die Kasse des Chemieriesen Hoechst zurück, der zwischen 1991 und 1996 den Löwenanteil am Gesamtaufkommen der Sondermüllabgabe zahlen mußte.
In Wiesbaden können sich nun die Sozialdemokraten gegenseitig auf die Schultern klopfen. Die SPD stoppte die noch unter dem grünen Umweltminister Joschka Fischer konzipierte Sonderabfallabgabe schon in den Haushaltsverhandlungen 1996. Der umweltpolitische Sprecher der grünen Landtagsfraktion, Horst Burghardt, stellte damals sein Amt zur Verfügung. Jetzt triumphiert die SPD. Ohne ihre Intervention müßten heute nämlich mehr als 300 Millionen Mark an die chemische Industrie zurückgezahlt werden.
Den Schwarzen Peter wollen sich aber die Bündnisgrünen nicht in die Karten mischen lassen. Gegenüber der taz rechtfertigte ihr Fraktionsvorsitzender im Landtag, Alexander Müller, daß die Partei 1996 in den Haushaltsverhandlungen mit der SPD darauf gedrungen habe, daß die chemische Industrie vertraglich darauf verpflichtet werden müsse, „freiwillig“ ihre Sondermüllmengen bis zum Jahre 2000 um 20 Prozent zu reduzieren. Darauf habe sich die Industrie eingelassen. Deshalb könne auch nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts die Politik der Reduzierung von Sondermüll fortgesetzt werden. Müller: „Uns ging es doch nie um die Erhebung einer Sondersteuer, sondern um die Minimierung der Abfälle der Chemieindustrie.“ Allerdings gibt es nun kein Druckmittel mehr: Die Sonderabfallabgabe kann nach dem Urteil nicht, wie zuvor geplant, im Jahr 2000 wieder in Kraft treten, wenn die Industrie ihrer freiwilligen Verpflichtung doch nicht nachkommen sollte.
Mit den Einnahmen aus der „Sonderabfallabgabe Hessen“ wurden Projekte zur Sonderabfallvermeidung und zur Sanierung von Altlasten finanziert. Die CDU wirft der rot-grünen Koalition nun vor, daraus lediglich eine „grüne Jobmaschine“ gemacht zu haben: Ein Drittel der gesamten Ausgaben in Höhe von 143 Millionen Mark seien für Personal und die Hessische Landesbank, die mit der Erhebung der Abgabe beauftragt worden war, draufgegangen. Müller kontert: In bezug auf die Einnahmen von 218 Millionen Mark seien die Personalkosten nur mit einem Siebtel zu Buche geschlagen. Klaus-Peter Klingelschmitt
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