: Arbeitszeitkonten sollen Schulen flexibler machen
■ Kompromiß um längere Arbeitszeiten für Lehrer. Mehr Chancen für junge Pädagogen durch vierhundert neue Stellen und Altersteilzeit
Ein Streik der 33.000 LehrerInnen ist abgewendet. Die Schulverwaltung und die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) haben sich jetzt bei wesentlichen Punkten geeinigt. Vom Tisch ist danach eine generelle Arbeitszeitverlängerung. Außerdem finanziert der Senat insgesamt neue 400 Vollzeitstellen, was jährliche Mehrkosten von etwa 40 Millionen Mark bedeutet.
Die Vereinbarung muß noch am kommenden Dienstag vom Senat verabschiedet werden. Nachdem sich auch der Regierende Bürgermeister Eberhard Diepgen (CDU) deutlich für einen Kompromiß eingesetzt hat, gilt die Annahme als gesichert. Die Vereinbarung sei „ein Sieg für arbeitslose LehrerInnen“, bewertet der GEW-Vorsitzende Erhard Laube die Ergebnisse.
Die vereinbarten vierhundert Stellen sollen überwiegend für die Neueinstellung von jungen LehrerInnen auf Zweidrittelstellen genutzt werden. Insgesamt könnten dadurch 600 Pädagogen neu eingestellt werden oder Lehrkräfte mit einer Teilzeitstelle auf eine ganze Stelle aufgestockt werden. Vereinbart wurde ebenfalls, daß alle Teilzeitbeschäftigten spätestens nach fünf Jahren einen Anspruch auf eine Vollzeitstelle haben.
Der GEW ist es zwar nicht gelungen, die jetzige Zahl von 23 Pflichtstunden bis zum Jahre 2009 festzuschreiben. Eine generelle Arbeitszeitverlängerung, wie es der Senat wünschte, ist aber ebenfalls bis Juli 1999 ausgeschlossen. Die Vereinbarung verlängert sich jeweils um ein Jahr, wenn sie nicht gekündigt wird. Geeinigt hat man sich aber auf ein „intelligentes Arbeitszeitkonto-Modell“, so GEW- Chef Laube. Um akuten Lehrermangel auszugleichen, werden danach die meisten Lehrkräfte in Gymnasien eine Stunde mehr arbeiten müssen, in Berufsschulen sogar zwei Stunden. Die angesammelten Mehrstunden sollen spätestens ab 2003 abgebummelt werden, verspricht die Senatsschulverwaltung. Um dem großen Lehrermangel in Berufsschulen abzuhelfen und Überkapazitäten in anderen Schultypen abzubauen, soll es zusätzliche Umschulungsangebote geben. Derzeit suchen in Berlin rund 4.000 LehrerInnen einen Job.
Weitere Einstellungen von jungen Lehrern soll ein neues Modell für Altersteilzeit ermöglichen. Lehrkräfte können danach ab 55 Jahren auf eine Zweidrittelstelle gehen, brauchen tatsächlich aber nur noch die Hälfte der Pflichtstunden geben. Die Unterrichtslücke soll durch die Einstellung von jungen LehrerInnen mit einer halben Stelle geschlossen werden. Das Modell ist nach Berechnungen des Bildungsforschers Prof. Klemm für das Land Berlin kostenneutral, weil jüngere LehrerInnen deutlich billiger sind als langgediente Pädagogen.
Für den Vorsitzenden der Lehrer-Gewerkschaft, Erhard Laube, sind die Vereinbarungen ein „akzeptabler Kompromiß, der möglich wurde, weil die LehrerInnen massiv Streikbereitschaft gezeigt haben“. Die Ergebnisse sollen am kommenden Montag in einer Landesdelegiertenversammlung abgesegnet werden. Auch die Verband Bildung und Erziehung im Deutschen Beamtenbund sieht einen „enormen Erfolg“.
Die bildungspolitische Sprecherin der Grünen im Abgeordnetenhaus, Sybille Volkholz, begrüßte das Ergebnis. In den nächsten Jahren müsse jedoch dringend die Arbeitsbelastung der LehrerInnen geregelt werden. Hier gebe es momentan keine Gerechtigkeit, denn die reale Wochenarbeitszeit schwanke zwischen 34 bis 59 Stunden. Dies hänge vor allen Dingen ab vom Engagement der LehrerInnen in der Schule und der Zahl der zu korrigierenden Klassenarbeiten.
Der Regierende Bürgermeister Diepgen äußerte sich zufrieden über die erzielte Regelung. Diese habe „Modellcharakter über Berlin hinaus“.
Als „ein zukunftsorientiertes Ergebnis“ bezeichnete SPD-Fraktionschef Klaus Böger die Regelung. Er appellierte an alle Lehrer, den erweiterten Einstellungskorridor durch Annahme von Teilzeit- oder Altersteilzeitangeboten mitzufinanzieren. Gerd Nowakowski
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen