: „Öffentlicher Druck ist besser“
■ taz-Korrespondent Peter Böhm, nach fast fünf Wochen Haft in der Demokratischen Republik Kongo jetzt nach Deutschland abgeschoben, über seine Erlebnisse bei der kongolesischen Staatssicherheit
taz: Fast fünf Wochen warst du im Kongo in Haft. Wie hast du die Zeit im Gefängnis erlebt?
Peter Böhm: Am Anfang wußte ja keiner, daß ich inhaftiert bin. Da entstand bei mir natürlich Unsicherheit, ob man mich nicht verschwinden lassen könnte, ohne daß jemand Bescheid weiß. Je länger ich im Gefängnis war, um so sicherer fühlte mich.
Was war das für ein Gefängnis?
Ein Gefängnis war es nicht, es war das Gebäude des „Nationalen Sicherheitsrats“ (CNS), der die Aufgabe hat, die Arbeit der Sicherheitsorgane im Kongo zu koordinieren. Der CNS hat in seinem Gebäude einen ehemaligen Warteraum mit einem verschimmelten Teppich. Dort sind Leute eingeschlossen. Teilweise sitzen sie auf dem Boden, manchmal ist ein Stuhl drin, der dann wieder rausgenommen wird. Ich war mit Europäern und Kongolesen inhaftiert, und wir haben uns gegenseitig geholfen. Der eine Europäer hatte eine Fluggesellschaft, der andere war im Minengeschäft, es waren auch CNS-Angestellte dabei und ganz normale Bürger.
Wie kam es zu deiner Verhaftung?
Das war am 12. April, ein Sonntag abend, gegen 18 Uhr. Ich hatte mein Hotel in Goma verlassen und sah einen Vulkan, der normalerweise von Wolken verhüllt ist. Diesmal aber hatte er nur einen Wolkenring um die Spitze. Das war so malerisch, daß ich zurück in mein Zimmer ging und meine Kamera holte. Ich stellte mich hin und fotografierte das. Da kam ein Polizeiwagen vorbei, vier Leute in Zivil stiegen aus und fragten: Warum fotografieren Sie hier? Wissen Sie nicht, daß es verboten ist? Ich konnte gar nichts dazu sagen, da war ich schon im Wagen und wurde gleich zu Mobutus ehemaliger Residenz am See gebracht, die jetzt die neue Regierung benutzt. Ich wurde ein bißchen ausgefragt, und dann kam heraus, daß der Vize-Innenminister Faustin Munene gerade in Goma war. Die Polizei durchsuchte auch mein Hotelzimmer und beschlagnahmte meine Arbeitsunterlagen. Da ich aus Uganda mit dem Bus eingereist war, versuchte man auch, mir vorzuwerfen, ich sei klandestin eingereist, aber das ist Quatsch. Ich hatte mein Visum als Journalist beantragt und bekommen, und in Goma war ich bei allen offiziellen Stellen, um eine Akkreditierung zu bekommen, aber jede Behörde sagte etwas anderes. Und selbst eine Akkreditierung hätte mir am Ende nichts genützt.
Und am nächsten Tag wurdest du nach Kinshasa gebracht?
Ja. Ich übernachtete im Polizeirevier auf einer alten Decke und in Handschellen. Am nächsten Nachmittag wurde ich in der Maschine des Vize-Innenministers nach Kinshasa gebracht und dann am Abend ins Gebäude des CNS.
Was hat der CNS gemacht?
Soweit ich einschätzen kann, wurde nicht viel ermittelt, und der CNS ist ja eigentlich auch nicht für Ermittlungen zuständig. Die ersten zwölf Tage wurde ich auch nicht verhört – ich war einfach da. Den Vorwurf „Spionage“ erfuhr ich erst aus dem Radio, von Voice of America. Offiziell wurde es mir nie gesagt. Bei der Ausweisung bekam ich dann schriftlich die Vorwürfe „Gefährdung der Staatssicherheit“ und „Spionage“.
Wie hat die Außenwelt von deiner Verhaftung erfahren?
Ich habe darum gebeten, daß man die deutsche Botschaft informiert. Das wurde mir schon in Goma zugesagt, später auch in Kinshasa, aber es wurde zwei Wochen lang nie gemacht. Ich habe dann einen Zettel rausgeschmuggelt über jemanden, der einen anderen Gefangenen besuchte.
Was hat die deutsche Botschaft daraufhin gemacht?
Der konsularische Attaché hat mit den CNS-Verantwortlichen verhandelt. Jeden Tag haben Botschaftsangestellte etwas zu essen gebracht, weil man ja nicht verpflegt wurde.
Es hat dann immer noch fast drei Wochen gedauert, bis du abgeschoben wurdest. Was ist in der Zeit passiert?
Zwar hat sich die Botschaft rührend um mich gekümmert, aber über ihre Strategie, um mich rauszubekommen, kann man sich streiten. Mir wurde immer gesagt, es sei besser für meine Sicherheit, wenn in der Öffentlichkeit nicht soviel davon geredet würde. Ich bin selbst allerdings immer davon ausgegangen, daß es viel besser sei, wenn man öffentlich Druck auf die kongolesische Regierung ausübt und sich entschiedener äußert, anstatt als Bittsteller aufzutreten. Es hätte eine Menge Punkte gegeben, die man härter hätte vertreten können. Zum einen hatte die Regierung die deutsche Botschaft nicht informiert, was internationalen Vereinbarungen widerspricht, zum anderen war meine Verhaftung völlig willkürlich.
Es ist ja dann doch öffentlich geworden. Was hast du davon mitgekriegt?
Ich habe es eines Morgens im Radiosender Voice of America gehört. Ich habe mich dadurch sicherer gefühlt, und auch die Mitgefangenen und Wächter haben das so interpretiert, daß ich jetzt mehr Chancen habe, freizukommen.
Wie ist es zu deiner Abschiebung gekommen?
Man muß sich das so vorstellen: Es sickert immer was nach außen. Unmittelbar nachdem die deutschen Botschaftsangestellten bei ihrem ersten Besuch den Raum verließen, am 27. April, kam einer der Soldaten herein und sagte mir: Okay, morgen wirst du abgeschoben. Dann verhandelte die Botschaft mit den Verantwortlichen, und zwischendurch sah es so schlecht aus, daß von einem Prozeß geredet wurde. Am vergangenen Mittwoch wurde ich zum Vize- Kabinettsdirektor im CNS gerufen, und der sagte mir: Eigentlich müßte ich jetzt nach Makala überstellt werden, das große Gefängnis von Kinshasa, aber um mich davor zu schützen, würde ich ausgewiesen. Um freizukommen, müßte ich bestätigen, daß ich nicht gefoltert wurde – was auch gar nicht der Fall war. Außerdem würde das Verfahren gegen mich weiterlaufen. Es wurde mir klargemacht, daß es auf mein Verhalten in Deutschland und auf den Ausgang meines Verfahrens ankommt, ob ich unter Umständen wieder einreisen darf.
Wirst du wieder hinfahren?
Erst mal nicht. Vorher muß geklärt sein, ob ich nicht Gefahr laufe, wieder festgenommen zu werden. Interview: Dominic Johnson
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