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Kompetent hinterzogen

■ Sander-Buchhalterin wegen Steuerhinterziehung zu Bewährungsstrafe verurteilt

Weil sie kompetent und fleißig ist und jahrelang untadelig fehlerfrei arbeitete, wurde sie jetzt schuldig gesprochen: Ein Jahr und vier Monate Haft auf Bewährung lautet das Urteil des Amtsgerichts gegen die Chef-Buchhalterin der Firma Sander. Weder Richter noch Schöffinnen nahmen ihr ab, jahrelange Fehlbuchungen – „aus Schusseligkeit“, wie die Angeklagte erklärt hatte – nicht bemerkt zu haben, zumal die Umsatzsteuern der „Möbelwelt“ dadurch vier Jahre lang um jeweils eine halbe Million Mark geschrumpft waren.

Insgesamt 47 Monate lang hat die heute 54jährige durch einen Buchungstrick Umsatzsteuern zugunsten des Bremer Möbelhauses Sander – offenbar jedoch niemals zum eigenen Vorteil – hinterzogen. Bis die Sache im April 1996 durch einen Betriebsprüfer des Finanzamts aufflog, hatte sie dem Unternehmen so eine vorläufige Steuerersparnis von 1,9 Millionen Mark erwirtschaftet. „Vorsätzlich“ – zugunsten des Unternehmens, befand das Gericht. Weil die Angeklagte sofort nach der Entdeckung – und dabei gar nicht schusselig – dem Betriebsprüfer aber offenbart hatte: „Ogott, dann ist das immer munter so weitergelaufen“, ließ das Gericht jedoch Milde walten. Es erkannte auf „Selbstanzeige“ und stellte das Verfahren für einen Teil der Straftaten ein.

Zuvor war Richter Karl-Heinz Rogoll mit der Angeklagten sorgfältig ins Gericht gegangen. Bei insgesamt 118 Falschbuchungen, von denen 117 zugunsten des Unternehmens ausfielen, sei durchaus System erkennbar, hielt er ihr in der Urteilsbegründung vor. Lediglich eine Buchung sei zugunsten des Finanzamtes ausgefallen, benannte er Auffälligkeiten in der Firmenbuchhaltung von Sander. Merkwürdig auch, daß die Fehlerserie erst kurz nach der 1992er Betriebsprüfung eingesetzt hatte – möglicherweise, um das Unternehmen, das mitten in einer Bau- und Expansionsphase steckte, über einen längeren Zeitraum finanziell flüssig zu halten. Für vorsätzliches Tun spreche ebenso, daß die Fehler vorzugsweise bei den jeweils höchsten, „also rentabelsten“ Buchungsposten auftraten, folgte der Richter dem Plädoyer des Staatsanwaltes im Urteilsspruch. Dieser hatte zwei Jahre Haft auf drei Jahre Bewährung plus eine saftige Geldstrafe gefordert; allerdings war er bereit eine Reihe von Fällen, bei denen die Steuerschuld unter 20.000 Mark geblieben war, als minderschwer einzustellen.

Das Motiv für das Tun der Frau, die seit 22 jahren im Unternehmen tätig ist und weite Bereiche buchhalterisch mit aufgebaut hat, blieb auch am gestrigen, letzten von drei Prozeßtagen im Dunkeln. Während die Verteidiger der Angeklagten auch deshalb auf Freispruch plädiert hatten, räumte zwar auch der Richter ein, über ein Motiv nur spekulieren zu können – insbesondere weil unmittelbare Vorteile für die Angeklagte nicht zu erkennen seien. „Eine Gehaltserhöhung hat es für Sie in den letzten Jahren ja nicht gegeben.“ Andererseits: „Man stelle sich vor, was die Vorkommnisse dann für das ganze Unternehmen inklusive Geschäftsleitung bedeutet hätten“, so Rogoll. Auch wenn Geschäftsführer Horst Sander als Zeuge im Verfahren jeden Verdacht, an der Hinterziehung mitgewirkt zu haben, zurückgewiesen hatte und keine offensichtlichen Vorteile vorlägen, könne die Tat dennoch als vorsätzlich gewertet werden. „Bei einem Zechpreller, der mit 100 Mark in der Tasche aus der Gaststätte läuft, wenn er nur 50 bezahlen muß, wird ja auch niemand sagen, er hatte doch noch Geld.“ ede

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