: Geld regiert den lila Fußball
■ Nach einer beispiellosen Siegesserie trifft der hoch gesponserte Regionalligist Tennis Borussia am Donnerstag in den Aufstiegsspielen zur 2. Bundesliga auf Hannover 96 Von Jürgen Schulz
Von Jürgen Schulz
Neulich sah Erwin Zacharias einen Punker mit lilagefärbten Haaren vorm Berliner Palace-Hotel lungern. Und schon begann der alerte Steuerberater im feinen Zwirn zu träumen. „Ich hoffe, daß bald viele Menschen in Berlin bewußt Lila tragen“, schwärmt Zacharias. Nicht daß sich der Finanzmanager aus Göttingen besonders zur Müll-und-Trash-Kultur der Hauptstadt hingezogen fühlt, aber die Farbe des Punkerschopfes weckt in Zacharias Kühne unternehmerische Ambitionen. Der Mann ist Aufsichtsratsvorsitzender des Fußballklubs Tennis Borussia, dessen Vereinsfarben seit Gründung im Jahre 1902 Lila und Weiß sind. Und diesen Ton wollen die „Veilchen“ aus Charlottenburg nun auch in Deutschlands Profigefilden populär machen.
Der Regionalligist aus dem Mommsenstadion schickt sich an, eine in Deutschland einzigartige Siegesserie zu einem guten Ende zu führen. Am Donnerstag erwartet der seit 51 Pflichtspielen unbesiegte Ost-Meister TeBe im ersten Aufstiegsspiel zur 2. Bundesliga den norddeutschen Champion Hannover 96. Drei Tage später steigt die Revanche im Niedersachsenstadion. „Wir wünschen uns sehnlich, daß dann wir und nicht wieder die anderen jubeln“, erklärt Zacharias in einem für Fußballfunktionäre ungewöhnlichen, weil sachlich-vornehmen Tonfall, der dem Image des Vereins als Klub der Künstler und Intellektuellen zur Ehre gereicht. Der Aufsichtsrat des Sponsors „Göttinger Gruppe“, der TeBe mit vielen Millionen reif für den Aufstieg machte (taz berichtete), denkt mit Schrecken zwei Jahre zurück, als die „Veilchen“ in einem traumatischen Duell unverdient am Nordrivalen Oldenburg scheiterten.
„Ich möchte Herrn Gerland auffordern“, appelliert Zacharias inbrünstig an den Trainer, „das I-Tüpfelchen auf diese phantastische Saison zu setzen.“ Hermann Gerland („Ich gehe geradeaus durch zwei Wände“) ist vom Duktus her zwar der Anti-Zacharias, aber auch der Erfolgscoach ist besessen vom Siegeswillen gegen Hannover. „Wir haben die beste Mannschaft und steigen deshalb auf“, läßt er verbal keine Zweifel am glücklichen Ende seiner Mission aufkommen. Basta!
Gelingt der Coup gegen die Niedersachsen, dann wartet auf die Borussen „die interessanteste 2. Liga, die es je gegeben hat“, wie Präsident Kuno Konrad zu Recht annimmt. Denn mit den Bundesliga-Absteigern Bielefeld, Karlsruhe sowie dem 1. FC Köln startet im Profi-Unterhaus ein illustres Feld, das neben gutem Sport auch volle Kassen verspricht. Deshalb bietet TeBe als Stadion-Alternative den Jahn-Sportpark in Prenzlauer Berg an, der mit 20.000 Plätzen fast doppelt so groß ist wie die traditionelle Heimstätte, die Mommsen-Arena in Eichkamp.
„Wir sind mit der jetzigen Mannschaft schon stark genug, um uns in der 2. Liga zu behaupten“, glaubt Stürmer-Star Kreso Kovacec, den die Borussen brisanterweise während der Saison dem kommenden Gegner Hannover abkauften, um „96“ entscheidend zu schwächen, wie die Fans aus der Leine-Metropole grollen. Dieser Vorwurf greift freilich zu kurz, denn TeBe plant längerfristig – über die Relegation gegen die Niedersachsen hinaus, mitten hinein in die Beletage des deutschen Fußballs, die Bundesliga, wo sich Hertha BSC in der abgelaufenen Saison mit Mühe etablieren konnte.
Deshalb wird der Kader des Noch-Amateurligisten im Falle des Aufstiegs weiter aufgerüstet. Mit dem Rostocker Bundesliga- Stammspieler Toni Micevski ist TeBe bereits einig. Der Makedonier gab dem Angebot aus Berlin den Vorzug, weil er eine Klasse tiefer mehr verdienen kann als beim Europacup-Anwärter aus Mecklenburg. Zwei weitere Topleute sollen Micevski ins Mommsenstadion folgen. „Wir schauen uns bei den Absteigern aus der Bundesliga um“, verrät Konrad, der damit den Einkäufern von Hertha BSC ins Gehege kommt. Ein stattlicher Zweitliga-Etat von rund 14 Millionen Mark macht es den Borussen möglich.
Die TeBe-Verantwortlichen machen keinen Hehl daraus, daß sie der Hauptstadt bald einen zweiten Topligisten bescheren wollen. „Unser Ziel ist der Bundesliga- Aufstieg im Jahr 2000“, erklärt der Präsident, der bislang für sein kühnes Versprechen zumeist höhnisches Grinsen erntet. Immerhin: Die „Veilchen“ ergatterten in den 70er Jahren für zwei Spielzeiten einen Platz an der Sonne, bevor sie wieder zum Mauerblümchen im übermächtigen Hertha-Schatten wurden. Diesmal will man sich aus dem Würgegriff des „großen Bruders“ befreien. Hannover soll das geeignete Düngemittel für die emporstrebenden „Veilchen“ sein.
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