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„Ich bin nur wegen meinem Mann da“

Auf der gestern eröffneten Internationalen Luft- und Raumfahrtausstellung herrscht Volksfeststimmung: Militärs treffen auf Familienväter, russische Geschäftsleute prosten Flugzeugen zu. „Keine Berührungsängste mehr“ vor Kriegsgerät, freuen sich die Veranstalter  ■ Von Kirsten Küppers

Zwei US-Soldaten mit verspiegelten Sonnenbrillen sitzen kichernd im Cockpit des Helicopters „Black Hawk“. Ihr Kollege steht gelangweilt vor dem Hubschrauber. Weil er gerade keine Fachfragen zu beantworten hat, bleibt ihm nichts anderes übrig, als den Kriegserzählungen eines dicken Mannes zuzuhören.

Großer Andrang dagegen herrscht auf der Tribüne der Flugshow. Mit Ferngläsern ausgerüstet, stehen Männer jeden Alters und beobachten die schnellen Jets bei rasanten Manövern. Frauen sind kaum zu sehen. „Ich bin nur wegen meinem Mann hier!“ brüllt Ingrid Matthes gegen das ohrenbetäubende Pfeifen der Düsenjäger an. Das Ehepaar ist extra aus München angereist.

Auch beim Eurofighter herrscht Gedrängel. Scheu vor dem Kriegsgerät zeigt kaum jemand. Diskussionen darüber habe es nur bei der ersten Berliner ILA, 1992, gegeben, erzählt Messesprecher Holger Rogall. „Jetzt gibt es keine Berührungsängste mehr.“ Daß mit dem Eurofighter Menschen getötet werden könnten, sei ihm egal, bestätigt Messebesucher Helmut Pawlisz diese Aussage. Ihn interessiere die Technik. Der 58jährige Schlachter gehe „zum Ausgleich“ zu ILA. Nur ein Rentner, der traurig vor einem Kampfflieger sitzt, zeigt vorwurfsvoll auf die Raketen an der Maschine. „Ich bin geschockt von der ganzen Bewaffnung.“ Mit dem Geld, das ein einziger Jet verschlinge, könne man „den Hunger in der Welt beseitigen“.

Mit Bratwurst und Popcorn herrscht Volksfeststimmung auf der Internationalen Luft- und Raumfahrtausstellung (ILA), die gestern von Bundespräsident Roman Herzog in Schönefeld eröffnet wurde. Trotz Imbißbuden, „Desert Storm“-T-Shirts für 29 Mark und lärmenden Schulklassen ist die Messe aber keine reine Publikumsveranstaltung. „Die ILA ist in erster Linie eine Fachmesse“, sagt Messe-Sprecher Rogall.

Vornehmlich auf Experten zielt dementsprechend das auf drei Säulen ruhende Konzept: häufig nichtöffentliche Kongresse, die Ausstellung der Firmen und das Ost-West- Zentrum, wo Kontakte zwischen internationaler Wirtschaft, Politik und Dienstleistern hergestellt werden sollen. Veranstaltungen zu umwelt- und verkehrspolitischen Aspekten des Flugverkehrs bilden keinen Schwerpunkt.

825 Aussteller aus 32 Ländern sind dieses Jahr gekommen. Aus Ostasien sind es vor allem Vertreter aus China, Japan und Taiwan. Südostasien wird vor allem von Malaysia und Indonesien repräsentiert. Aussteller aus afrikanischen Ländern fehlen, da diese, wie Rogall sagt, „über keine Luft- und Raumfahrtindustrie verfügen“. Ein Militärflugzeughersteller aus Süddeutschland begrüßt es, daß erstmalig auch alle führenden US-Konzerne der Branche vertreten sind. Der militärische Anteil liegt dieses Jahr bei vierzig Prozent. 1996, bei der letzten ILA, waren es unter dreißig Prozent.

Schnittstelle zwischen Fachpublikum und Laien bildet die Flugschau: Hier fliegt zwischen 11 und 16 Uhr vom Segelflieger bis zum Militärjet alles, was die Luftfahrt zu bieten hat. Ein von den Veranstaltern eigens eingerichtetes Bürgertelefon soll die vom Lärm aufgeschreckten Anwohner beruhigen. Nach Angaben von ILA- Sprecher Rogall würden vorwiegend Anwohner anrufen, die wissen wollen, wann Messebesucher ihre Zufahrtsstraßen verstopfen.

Neben der Flugshow ist auch die Raumfahrthalle gut besucht. Dort steht ein originalgetreues Modell einer Raumstation, die den europäischen Anteil an der 2003 in Betrieb gehenden internationalen Raumstation repräsentiert. Die quälende Hitze in der schräg gegenüber liegenden Luftfahrthalle hält die Besucher nicht davon ab, sich in ein Airbus-Cockpit zu setzen und einen Landeanflug auf den Flughafen Tegel zu simulieren.

Die ILA wächst. Inzwischen ist sie zu einer ernsthaften Konkurrenz zu den vergleichbaren Veranstaltungen im britischen Farnborough und in Le Bourget bei Paris geworden. „Die Volksfestatmosphäre ist aber nirgendwo so stark ausgeprägt wie in Berlin“, meint ein Kenner der Szene. So treffen denn am Bonbonstand französische Militärs auf den Mecklenburger Familienvater, russische Geschäftsleute prosten einem Looping fliegenden Flugzeug zu. Auf die Frage, welche Messe er bevorzuge, antwortet ein amerikanischer Anbieter: „I love them all.“

Bis zum 24. Mai 1998, Flughafen Schönefeld, Eingang Diepensee, 10 bis 18 Uhr, Karten 22/14 Mark, Busshuttle vom Bahnhof Lichtenberg, U-Bahnhof Rudow, S-Bahnhof Schönefeld inbegriffen.

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