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Protest gegen schlechte Honorierung

■ Erstmals Vollversammlung aller Mediziner. Großdemonstration geplant. Ärztezahl steigt weiter trotz gleichbleibender Honorarmenge

Unter den Kassenärzten wächst der Unmut: Morgen soll es erstmals eine Vollversammlung der Vertragsärzte aller unterschiedlichen Fachrichtungen geben, um gegen die „schlechte Bezahlung der medizinischen Leistung“ zu protestieren. Außerdem ist eine Großdemonstration geplant.

„Dieser Protest hat eine neue Qualität“, sagt Anton Rouwen vom Aktionsrat Berliner Kassenärzte. Die Ärzte wollen zukünftig noch enger zusammenarbeiten und gemeinsam gegen die sinkende Honorierung angehen. Bisher hatten die Fachrichtungen meist vereinzelt protestiert. So gab es in den vergangenen Monaten beispielsweise kurzfristige Streiks von Hausärzten, die pflegebedürftige PatientInnen in die Krankenhäuser einwiesen, anstatt sie zu behandeln. Der Grund: Die zu erbringenden Leistungen, tägliche Hausbesuche und intensive Gespräche, würden zu schlecht bezahlt. Über mögliche Maßnahmen wie Streiks soll auf der Vollversammlung diskutiert werden.

Der Aktionsrat fordert eine dem Versorgungsbedarf der Patienten angemessene Bezahlung, außerdem feste und kostendeckende Preise für alle medizinisch notwendig erbrachten Leistungen sowie die Abschaffung des komplizierten Punktsystems, nach dem die Leistungen jedes Quartal neu berechnet werden.

Eine „große Anzahl“ der niedergelassenen Mediziner habe derzeit „Schwierigkeiten“, allein ihre Praxiskosten mit den derzeitigen Honoraren zu decken, bestätigt die Sprecherin der Kassenärztlichen Vereinigung (KV), Ellen Harnisch. Genauere Zahlen gebe es jedoch nicht. Die KV schätzt, daß rund ein Drittel der niedergelassenen Ärzte „finanzielle Engpässe“ habe. Nach Harnischs Angaben würden eine ganze Reihe von Leistungen „schlechter bezahlt als Handwerker“. So kosteteten „einige ambulant ausgeführte Operationen weniger als ein Haarschnitt“.

In Berlin gab es Anfang Januar dieses Jahres knapp 6.100 niedergelassene Ärzte. Allein 2.800 von ihnen sind Hausärzte. 1993 waren es noch nur knapp über 5.000. Hier liegt auch ein Grund der Finanzmisere. Während die Zahl der Ärzte kontinuierlich angestiegen ist, sind die Zuwendungen nicht wesentlich mehr geworden: Die Ärzte bekommen für die Versorgung der Patienten und ihre Leistungen von den Krankenkassen seit Jahren ungefähr 2 Milliarden Mark jährlich.

Hausärzte verdienen besonders wenig: Für einen Hausbesuch mit Anfahrt würden mittlerweile nur noch 20 Mark berechnet, so Rouwen. Ein Besuch beim Doktor ohne Untersuchung, aber mit Gespräch bis zu maximal einer Viertelstunde werde mit 2,50 Mark vergütet. Für eine EKG-Untersuchung bekomme man nur noch 12,50 Mark. Nach Angaben von KV-Vizechefin Rita Kielhorn verdient ein Allgemeinarzt im Schnitt 2.000 bis 3.000 Mark netto.

Gespart wird deshalb auch bei den ArzthelferInnen. Wegen der schlechten Honorarsituation sind nach KV-Angaben in den vergangen fünf Jahren rund 2.800 Stellen weggefallen. Prognose für die nächsten zwei Jahre: ein weiterer Wegfall von 2.200 Stellen. Julia Naumann

Die Vollversammlung findet morgen um 18 Uhr im Audimax der Technischen Universität statt. Die Großdemonstration ist am 27.5. von 9 bis 13 Uhr geplant. Treffpunkt: Gebäude der Kassenärztlichen Vereinigung, Bismarckstraße 95–96. Die Abschlußkundgebung soll vor dem ICC stattfinden.

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