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Suharto soll "klugerweise" zurücktreten

■ Indonesiens Parlamentspräsident fordert den Rücktritt des Staatschefs. Spekulationen über seine Ablösung und die Rolle des Militärs bestimmen die öffentliche Diskussion. Soldaten lassen 5.000 Studen

Jakarta (rtr/AP/taz) – Der innenpolitische Druck auf den indonesischen Präsidenten Suharto hat gestern weiter zugenommen. Während Soldaten 5.000 Studenten unbehelligt ins Parlament ließen, forderte dessen Präsident Harmoko, der zugleich der Chef der Regierungspartei ist, Suharto zum Rücktritt auf. Die politische Elite des Landes beginnt sich vom Staatschef abzusetzen.

In einer schriftlichen Stellungnahme Harmokos hieß es, der Präsident der Kammer und deren Abgeordnete hofften auf die Einheit der Nation und darauf, daß der Präsident klugerweise zurücktreten werde. Die Chefs des Parlaments und der vier Fraktionen des Abgeordnetenhauses würden die Frage am (heutigen) Dienstag erörtern und das Ergebnis ihrer Beratungen Suharto übermitteln. Das Abgeordnetenhaus appelliere an das Volk, zusammenzuhalten und für eine friedliche Lage zu sorgen.

Harmoko rangiert als Parlamentspräsident an dritter Stelle der Staatshierarchie und gilt als enger Freund Suhartos. Beobachter gingen davon aus, daß er sich vor Veröffentlichung der Rücktrittsforderung mit Suharto beraten hat.

In Jakarta wurde gestern darüber spekuliert, ob Suharto die Forderung unter Bedingungen akzeptiert, die ein Überleben seines Systems garantieren. In den Führungskreisen des Landes hieß es, zu diesen Bedingungen würden Zusagen über den Zusammenhalt der Streitkräfte, die Fortsetzung der von ihm eingeleiteten Entwicklungspolitik, die Aufrechterhaltung von Recht und Ordnung sowie die Befolgung der Verfassungsrichtlinien gehören.

Artikel 8 der indonesischen Verfassung regelt die Präsidentschaft des Landes. „Sollte der Präsident sterben, sein Amt aufgeben oder es nicht mehr ausüben können, soll sein Amt bis zum Ablauf der Amtszeit vom Vizepräsidenten übernommen werden“, heißt es darin. Demnach würde Vizepräsident Jusuf Habibie Suhartos Amt übernehmen. Habibi ist ein Zivilist. Da seine Position relativ schwach ist, wurde auch darüber spekuliert, ob das Militär die Macht übernimmt – zumindest für eine Übergangsperiode.

„Das Militär hat die Trümpfe in der Hand“, kommentierte Mochtar Buchori eine mögliche Ablösung Suhartos. Der frühere Chef des Indonesischen Wissenschaftsinstituts glaubt, daß kurzfristig ein General die Macht übernehmen werde. „Zivilisten kommen dann erst später zum Zuge.“ Seiner Meinung nach könnten bis zur Bildung einer Zivilregierung rund drei Jahre vergehen. „Ich gehe aber davon aus, daß die internationale Gemeinschaft auf einer zivilen Führung besteht. Sonst könnten wir isoliert werden, und unsere wirtschaftlichen Probleme werden immer schlimmer.“ Auch Arbi Sanit, Politologe an der Universität von Indonesien, meinte: „Es zeichnet sich nicht ab, daß ein ziviler Politiker das Präsidentenamt direkt übernehmen könnte. Die Armee wird eine Übergangsrolle spielen müssen.“

Berücksichtigt werden muß jedoch, daß die meisten hohen Militärs von Suharto selbst gefördert worden sind und wissen, daß sie ihrem Präsidenten viel verdanken. Regimekritikern zufolge hat Suharto darauf geachtet, daß seine obersten Kommandeure Rivalen sind, die sich nicht gegen ihn verbünden. Insofern sind Putschversuche der Armee gegen den Präsidenten eher unwahrscheinlich. Suharto ist seit 32 Jahren im Amt. Weite Teile des Volkes machen ihn für die schwere Wirtschaftskrise in dem südostasiatischen Land verantwortlich, die vor allem in der Hauptstadt Jakarta zu massiven Ausschreitungen geführt hat. Der Beratende Volkskongreß hatte Suharto erst im März zum siebten Mal für eine fünfjährige Amtszeit gewählt.

Die Studenten, die gestern friedlich in das Parlamentsgebäude eindrangen, forderten eine Sondersitzung des Volkskongresses, um Suharto abzusetzen. Sie besetzten Räume der Ausschüsse des Abgeordnetenhauses und diskutierten mit den Parlamentariern. Unter den Demonstranten waren auch ehemalige Generäle und Minister sowie der Chef einer der beiden größten Muslim-Organisationen Indonesiens, Amien Rais. Er sagte, die Regierung sei moralisch, politisch und wirtschaftlich am Ende. „Suharto muß gehen, je früher, desto besser.“ Hinter Rais steht mit der Muhammadijah eine Organisation mit 28 Millionen Mitgliedern.

Rais hat angekündigt, am Mittwoch, dem „Tag des Nationalen Erwachens“, Millionen Indonesier für Demonstrationen zu mobilisieren. Der Tag erinnert an den Beginn des Unabhängigkeitskampfes gegen die niederländischen Kolonialherren vor 90 Jahren.

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