„Du stehst unter dem Kellner“

■ Markus Acher von Notwist über Gebrauchsmusik in Biergärten, die nötige Bodenhaftung und seine verschiedenen Projekte

Sympathie, Unabhängigkeit, Improvisation, Rock, Elektronik, Jazz, Pop, Weilheim. Notwist, zwei Brüder und zwei Freunde, spielen seit zehn Jahren die jeweilige Gitarrenmusik zur Zeit und haben in einem kleinen Ort bei München eine Hochburg musikalischer Kreativität ermöglicht, aus der im letzten Jahr das gefeierte elektro-akustische Jazz-Quintett Tied & Tickled Trio hervorging. Jetzt haben die Brüder Markus und Micha Acher auch mit ihrem einstigen Hardcore-Outfit Notwist den Spreizgang zum Jazz gewagt und sind dabei nicht ausgerutscht.

taz: Ist es in Weilheim so, daß du mindestens drei Projekte haben mußt, um dazuzugehören?

Markus Acher: Nee, gar nicht. Einige der Besten machen nur ein Ding.

Ich kann es mir tatsächlich kaum vorstellen, wie so eine Ballung von Projekten organisierbar ist.

Es sind immer Zeiträume. Jetzt ist Notwist fertig, also beginnen wir mit der Arbeit an etwas anderem. Man kann sich intensiver mit einer Sache beschäftigen, in dem Wissen, daß ab einem bestimmten Punkt etwas Neues kommt. Wenn es immer nur die eine Art und Weise und immer dieselben Leute wären, dann hätte ich längst keine Lust mehr.

Ich nehme mal an, daß das Tied & Tickled Trio für die Entwicklung vonNotwist sehr wichtig war.

Auf jeden Fall. Eine echte Initialzündung, was die Jazzeinflüsse angeht. Sowas einzubauen, konnten wir uns vorher nicht richtig vorstellen.

Hat das was mit Seriosität zu tun?

Nee, das gar nicht. Es ging um musikalische Fragen. Was ich nie mochte, ist dieses Jazz-Core-Zeug, wo Jazz immer mißverstanden wurde als Virtuosität und möglichst viele Breaks. Wir wollten das auf jeden Fall anders einbauen, wußten aber nicht wie. Das Tied &Tickled Trio hat dazu beigetragen, daß wir andere Muster sahen, in der Art eines elektronischen Fundaments, das eine Jazz-Rhythmus-Gruppe austauschen kann, ohne daß es nach Acid-Jazz klingt.

Über eine Eintragung in eure Biographie mußte ich etwas schmunzeln: die Sache mit der Dixieland-Band.

Das ist mein Vater. Mein Bruder Micha spielt da Trompete, ich Schlagzeug und mein Vater Posaune.

Muß man zu so etwas erst toleranter werden?

Ja, so ähnlich ist es. Inzwischen ist es uns aber wichtig, als Familienangelegenheit. Man lernt viel – was den Umgang mit anderen Leuten angeht, musikalisch, und natürlich auch das Spielen selber. Das ist die Bodenhaftung. Musik als Gebrauchsmusik. Du stehst in den meisten Fällen noch unter dem Kellner. Manche Leute lachen darüber oder können nicht verstehen, warum wir in Biergärten spielen, aber ich finde es wichtig. Das ist Realität, in gewisser Weise. Auch finanziell. Ich und mein Bruder leben zum großen Teil von der Dixie-Band, von dem, was wir da verdienen.

Und was hält dein Vater von Notwist?

Naja, die neue Platte gefällt meinem Vater und meiner Mutter.

Erwachsene Musik.

Ja, sie denken, daß das vielen anderen Leuten auch gefallen könnte, und das beruhigt sie in gewisser Weise. Weil das ja das einzige ist, was wir machen.

Interview: Holger in't Veld mit Solex: Mi, 27. Mai, Fabrik, 21 Uhr