U2 und Ash rocken in Belfast für ein Ja zum Frieden

■ Ein Sieg der Befürworter des Nordirland-Abkommens beim heutigen Referendum wäre nur ein erster Schritt zum Frieden. Genauso wichtig ist, wer künftig im neuen Parlament sitzen wird

Portadown (taz) – Die Union Nordirlands mit Großbritannien sei gestärkt worden, freut sich Unionistenchef David Trimble. Sein Rivale, der Sinn-Féin-Präsident Gerry Adams, ist auch zufrieden: Die Union Nordirlands mit Großbritannien sei geschwächt. Beide sprechen vom selben Abkommen, das am Karfreitag zwischen den Regierungen in London und Dublin sowie von den meisten nordirischen Parteien geschlossen worden ist und der britischen Krisenprovinz Frieden bringen soll. Heute muß es von den WählerInnen in beiden Teilen Irlands in Plebisziten abgesegnet werden.

Was sind die Kernpunkte? Vorausgesetzt, die Bevölkerung beider Teile Irlands gibt in den Volksentscheiden grünes Licht, wird am 22. Juni eine nordirische Versammlung nach proportionaler Repräsentation gewählt. Die 108 Abgeordneten sind für Finanzen, Wirtschaftsentwicklung, Gesundheit, Bildung, Umwelt, Landwirtschaft und Soziales zuständig. Sie stellen eine zwölfköpfige Regierung auf, in der alle Parteien analog zum Wahlergebnis vertreten sind.

Diese Regierung muß innerhalb eines Jahres einen gesamtirischen Ministerrat mit Vertretern des Belfaster und des Dubliner Parlaments aufstellen, die den Regierungen in Belfast und Dublin rechenschaftspflichtig sind. Geschieht das nicht, ist das gesamte Abkommen null und nichtig. Der Ministerrat wird sich mit Tourismus, Tiergesundheit, Wasserstraßen und anderen grenzübergreifenden Fragen beschäftigen. Außerdem wird es einen „Rat der Inseln“ mit Vertretern beider Regierungen sowie der schottischen, walisischen und nordirischen Regionalparlamente geben. Sinn Féins Forderung nach einer Polizeireform und nach Gleichstellung des katholischen Bevölkerungsteils wird an eine Kommission verwiesen. Sie soll bis zum Herbst 1999 einen ersten Bericht vorlegen.

Für die Wähler der Republik Irland beinhaltet das Plebiszit außerdem eine Änderung der Verfassungsparagraphen, in denen Anspruch auf Nordirland erhoben wird. Im neuen Text ist nur noch von dem Wunsch nach einem vereinigten Irland die Rede, das aber nur mit Zustimmung einer Mehrheit in Nordirland zustande kommen kann. Dieser Punkt liegt ein Jahr auf Eis. Sollte das Abkommen bis dahin noch bestehen, tritt die Verfassungsänderung in Kraft.

In der Republik Irland ist die Wahlkampagne eher schlapp, ist man sich der überwältigenden Zustimmung doch sicher. Sämtliche Parteien im Dubliner Parlament werben für ein Ja. Deshalb hat John Meehan, ein unabhängiger Sozialist, jetzt viel zu tun. Er gehört zur Spezies der Abkommensgegner, weil er darin eine Rückkehr zur uneingeschränkten unionistischen Herrschaft der sechziger Jahre sieht. Weil der Staatsfunk Befürwortern und Gegnern die gleiche Sendezeit einräumen muß, wird Meehan von einer Sendung zur nächsten weitergereicht.

In Nordirland ist es komplizierter. Nach letzten Umfragen sind 60 Prozent für das Abkommen, aber vor allem die 18- bis 24jährigen waren noch unentschlossen. Deshalb gaben die Dubliner Rockgruppe U2 und Ash aus Belfast am Dienstag ein Konzert in Belfast, bei dem sie Unionistenchef Trimble und den katholischen Sozialdemokraten John Hume erstmals auf eine gemeinsame Bühne zerrten. Vorgestern kamen auch der britische Premier Tony Blair und Tory-Chef William Hague nach Nordirland, um das Ja-Lager zu stärken.

Mit einem einfachen Ja ist es jedoch nicht getan. Zwar haben sich alle Parteien, die an den Friedensverhandlungen teilnahmen, für das Abkommen ausgesprochen, doch der Presbyterianer-Pfarrer Ian Paisley und seine Verbündeten, die die Verhandlungen boykottiert hatten, konnten sechs von Trimbles zehn Westminster-Abgeordneten auf ihre Seite ziehen. Ihre Rechnung ist genauso einfach wie falsch, weil sie sämtliche Katholiken zum Ja-Lager zählen. Demnach wäre es für Paisleys Leute ein Sieg, wenn mehr als 30 Prozent mit Nein stimmen, denn das wäre nach ihrer eigenwilligen Zählweise die Mehrheit der Unionisten. Nachprüfen läßt sich das nicht, weil nicht nach Wahlkreisen gezählt wird. Aber für sie ist das Referendum ohnehin nur das Vorspiel: Abgerechnet wird am 22. Juni. Sollten dann auf unionistischer Seite mehr Gegner ins neue Parlament gewählt werden, sind Trimbles Tage gezählt. Und wohl auch die Tage des Abkommens. Ralf Sotschek