Ford will Kia übernehmen

Zeitenwende in der Automobilindustrie: Heute rollen US-amerikanische Firmen den Weltmarkt auf. In Südkorea ist die Kapazitätsauslastung auf knapp 40 Prozent gesunken  ■ Von André Kunz

Tokio/Seoul (taz) – Unter den südkoreanischen Autoherstellern tobt ein Überlebenskampf, der aller Voraussicht nach zugunsten der amerikanischen Autobauer und der deutschen Zuliefererindustrie entschieden wird. Wie am Freitag bekannt wurde, will der US-Autokonzern Ford, der zuletzt 34 Prozent des japanischen Herstellers Mazda gekauft hatte, nun 51 Prozent des technisch bankrotten Autobauers Kia übernehmen. Aber selbst für den Giganten Ford sind die zwölf Milliarden Mark Schulden der Kia- Gruppe schwer zu verdauen. Deshalb wolle Ford für die Übernahme ein Konsortium mit einheimischen Kreditinstituten bilden, berichtete die Nachrichtenagentur Yonhap.

Ford ist kein Neuling im Kia- Management. Seit sechs Jahren ist der US-Autokonzern zusammen mit Mazda aus Japan mit 17 Prozent an Kia beteiligt. Nach dem Vorstellungen von Ford soll Kia unter dem heutigen Markennamen weitergeführt werden.

Dem Engagement der US- Amerikaner war ein Wettlauf zwischen dem Branchenführer Hyundai und dem Branchenneuling Samsung Motors um den drittgrößten Autobauer Südkoreas vorausgegangen. Diese Konglomerate (Chaebol) sind jedoch im Gefolge der Finanz- und Wirtschaftskrise derart in Verschuldung geraten, daß sie den Wettlauf gegen die Amerikaner nun aufgeben mußten.

Für die südkoreanische Autoindustrie beginnt damit eine neue Ära des Konkurrenzkampfes. Noch vor zwei Jahren hatte sie Europas Autoindustrie mit Milliardeninvestitionen in West- und Osteuropa erschreckt. Bis zur Jahrtausendwende sollten sechs Millionen Wagen aus den Werken rollen und Südkorea damit zur fünftgrößten Autonation der Welt machen.

Diese Prognosen haben sich inzwischen als reines Wunschdenken entpuppt. Im März fiel die Kapazitätsauslastung nach Angaben des Autoindustrieverbandes auf 40 Prozent. Der Inlandabsatz halbierte sich im ersten Quartal, während die Ausfuhren nur um zwölf Prozent zunahmen.

Branchenleader Hyundai hat seine Produktion seit März um 60 Prozent senken müssen, seine Rivalen Daewoo und Kia kamen mit 30 bzw. 20 Prozent zwar besser, aber auch nicht glimpflich davon. Am Ende des laufenden Jahr werden bestenfalls 4,3 Millionen Wagen von den Bändern gerollt sein. Auch das entspräche lediglich einer Kapazitätsauslastung von 62 Prozent.

Die Probleme in dieser Schlüsselbranche, die 7,5 Prozent aller Arbeitsplätze und 8,1 Prozent des Exportwerts von Korea beisteuert, sind ein Spiegelbild der gesamten südkoreanischen Wirtschaft. Hyundai will bis Ende Juni ein Fünftel seiner 46.000 Angestellten entlassen. Diese Entscheidung hat die Gewerkschaften in Rage gebracht. Deshalb hat der zweitgrößte Gewerkschaftsbund KCTU seine 550.000 Mitglieder für den 27. Mai zum Generalstreik aufgerufen. „Der Arbeiterkampf wird in der Autoindustrie entschieden“, warnte KCTU-Chef Lee Gab- yong gestern.

Eine andere Strategie hat Daewoo, die Nummer zwei in Südkorea, eingeschlagen. Im Januar befand sich Daewoo-Boß Kim Woo- choong noch auf Einkaufstour. Er schluckte kurzerhand den viertgrößten Autohersteller Ssangyong Motors mitsamt seinen 4,4 Milliarden Mark Schulden. Aber offenkundig war dieser Happen schwer verdaulich. Denn seitdem trennt sich Daewoo von Beteiligungen in osteuropäischen und asiatischen Autowerken. Begründung: Er müsse sich auf das Kerngeschäft zu Hause konzentrieren.

General Motors ist in Osteuropa in die Lücke gesprungen und wird von Daewoo seit Wochen bekniet, auch in Südkorea wieder die Hälfte des Kapitals für den Autobau zu stellen.

Mitten in dieser Krise hat sich mit Samsung Motors ein Neuling angemeldet, der sich auf die Macht der größten Firmengruppe in Südkorea stützt. 2,4 Milliarden Mark hat Samsung bisher in das Abenteuer Autobau gesteckt. In diesem Jahr werden zwar nur 80.000 Wagen vom Band rollen, aber schon 1999 will Samsung die Produktion auf 250.000 aufstocken. Dummerweise hat Samsung den zweitgrößten japanischen Autohersteller Nissan als Partner. Von dort ist im Notfall keine Hilfe zu erwarten, denn Nissan befindet sich selbst in der Defensive und muß erst seine 4,8 Milliarden Mark Schulden zu Hause abbauen, bevor es sich wieder auf ein Auslandsengagement einlassen kann.

Derweil sehen die japanischen Autobauer machtlos zu, wie der südkoreanische Markt von den Amerikanern aufgerollt wird. Mit von der Partie sind auch die deutschen Zuliefererbetriebe, allen voran Bosch, die gegenwärtig ihre Präsenz in diesem lukrativen Marktsegment kräftig verstärken.