Irland-Vertrag nimmt erste Hürde

■ Mit deutlichen Mehrheiten stimmen Iren in Nord und Süd für das gemeinsame Friedensabkommen. Auch die meisten Protestanten geben ihre Zustimmung. Nordirland wählt als nächsten Schritt ein eigenes Regionalparlament

Dublin (taz) – US-Präsident Bill Clinton lobte „den Mut und die Weisheit des irischen Volkes“, Bundeskanzler Helmut Kohl war „hocherfreut“, und der britische Premier Tony Blair sprach von einem „gigantischen Schritt in Richtung Frieden“: 71,1 Prozent der WählerInnen in Nordirland haben sich in einem Referendum am Freitag für das britisch-irische Abkommen ausgesprochen. In der Republik Irland waren es sogar 94,5 Prozent. Noch nie waren mehr Menschen in Nordirland an die Wahlurne gegangen: Die Beteiligung lag bei 81 Prozent, im Süden dagegen nur bei knapp 56 Prozent.

Die Nordiren werden nun am 25. Juni ein Regionalparlament mit 108 Abgeordneten wählen, die eine zwölfköpfige Regierung unter Beteiligung aller gewählten Parteien bilden und innerhalb von sechs Monaten gesamtirische Institutionen einrichten müssen. Über andere Themen wie die Reform der fast ausschließlich protestantischen Polizei, die Ausmusterung der Waffen paramilitärischer Organisationen sowie die Gleichstellung von Katholiken wird in Ausschüssen weiterverhandelt.

Besonders erleichtert war man darüber, daß offenbar auch eine Mehrheit der Protestanten für das Abkommen gestimmt hat. Zwar lassen sich aufgrund der zentralen Auszählung keine genauen Zahlen ermitteln, doch Umfragen haben ergeben, daß 55 Prozent von ihnen ja gesagt haben. Die protestantischen Unionisten, die für die Union Nordirlands mit Großbritannien eintreten, sind untereinander tief zerstritten. Diese Union werde durch das Abkommen zerstört, werfen die Neinsager dem Unionistenchef David Trimble vor, der in der eigenen Partei wegen seiner Zustimmung zum Abkommen heftig umstritten ist. Sollten die Gegner des Abkommens mehr als die Hälfte der Sitze im Regionalparlament gewinnen, könnten sie alle Entscheidungen blockieren und das Abkommen zu Fall bringen. Ian Paisley, Chef der protestantischen DUP, kündigte an, weiter gegen das Abkommen kämpfen zu wollen.

Der irische Premierminister Bertie Ahern sprach am Samstag denn auch von den „Hürden, die noch vor uns liegen“, wenn es „einen wahren und dauerhaften Frieden und Wohlstand auf dieser Insel“ geben soll. Die Themen, die die zweijährigen zähen Verhandlungen immer wieder blockiert haben, standen auch gestern wieder auf der Tagesordnung. Trimble warnte, daß er Sinn Féin erst dann am Kabinettstisch dulden werde, wenn die IRA ihre Waffen abgegeben und sich aufgelöst habe. Das ist in dem Abkommen als Vorbedingung jedoch nicht vorgesehen.

Trimble hat während der gesamten Verhandlungen kein einziges Wort mit Sinn-Féin-Präsident Gerry Adams oder anderen Sinn-Féin-Unterhändlern gewechselt. Adams hat den Sozialdemokraten von der SDLP einen Wahlpakt angeboten, um so viele Sitze wie möglich mit Nationalisten zu besetzen. Er drückte seine Hoffnung aus, daß bewaffnete Gruppen nun der Vergangenheit angehörten. Die Sinn Féin gilt als der politische Arm der Irisch- Republikanischen Armee (IRA).

In der Republik Irland beinhaltete das Plebiszit am Freitag auch eine Verfassungsänderung: Die Paragraphen, in denen es um einen Gebietsanspruch auf Nordirland geht, werden in zwölf Monaten gestrichen, falls das Abkommen bis dahin nicht scheitert. Statt dessen erkennt man an, daß es eine irische Vereinigung nur mit Zustimmung einer Mehrheit in Nordirland geben kann.

In der Euphorie über das Belfaster Abkommen ging ein anderes Referendum fast unter: Die WählerInnen in der Republik Irland mußten am Freitag auch über die Amsterdamer EU-Verträge abstimmen. Das Votum fiel weniger enthusiastisch aus, als sich die Politiker erhofft hatten: Nur knapp 62 Prozent stimmten dafür, obwohl bis auf die Grünen sämtliche Parlamentsparteien die Annahme empfohlen hatten. Hauptgrund war der Mangel an Informationen über die Verträge, so ergab eine Umfrage. Außerdem waren viele verärgert, daß die Regierung das Referendum einfach an den Volksentscheid über das Belfaster Abkommen angehängt hatte, um eine höhere Wahlbeteiligung zu erreichen. Es ist das bisher schwächste Ergebnis bei einer Abstimmung über EU-Themen. Beim EG-Beitritt hatten 1972 noch 83 Prozent mit Ja gestimmt. Seitdem ist die Zahl bei jedem neuen Referendum über EU-Verträge stetig gesunken.

Ralf Sotscheck Tagesthema Seite 3