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Wohlstandskinder aus dem Reagenzglas

Hamburger Fortpflanzungsforscher Leidenberger erhält Bundesverdienstkreuz  ■ Von Kai von Appen

Der Hormon- und Fortpflanzungsforscher Prof. Dr. Freimut Leidenberger hat gestern in Hamburg das „Bundesverdienstkreuz 1. Klasse“ erhalten. Wirtschaftssenator Thomas Mirow (SPD) ehrte ihn damit für seine „großen Verdienste“ in der Grundlagenforschung der „gynäkologischen Endokrinologie und Reproduk-tionsmedizin“. Leidenberger sei eine besondere „Verbindung aus Wissenschaftler und Unternehmer“, der 500 Arbeitsplätze in der Biotechnologie geschaffen habe.

Vor drei Jahren hat der Molekularbiologe die Firma „Evotec-Biosystems“ gegründet. Sein privates „Institut für Hormon- und Fortpflanzungsforschung“ ist inzwischen der Universität Hamburg angegliedert. Doch Leidenbergers Forschungsansätze sind bis heute umstritten.

Vor 25 Jahren wollte er kinderlosen Wohlstandspaaren per künstlicher Befruchtung im Reagenzglas zum Retortennachwuchs verhelfen. Gleichzeitig beschäftigte er sich mit Projekten zur Geburtenkontrolle in der sogenannten Dritten Welt. Er wollte heimischem Personal „profunde Methoden der Empfängnisverhütung“ vermitteln.

Leidenberger und seine MitarbeiterInnen hatten nämlich entdeckt, daß im Nebenhoden des Mannes Eiweiße produziert werden, durch die Impotenz therapiert werden kann. Spritzt man die Eiweiß-Antikörper jedoch Frauen in den Unterleib, zerstören sie den Samen auf dem Weg zur Gebärmutter. Genkritiker warnten 1990 davor, daß sich so mißbräuchlich „Schwangerschaftsimpfungen für Frauen“ entwickeln ließen.

Leidenbergers Forschungsansatz war von der Vision geprägt, in Afrika komme es zur Bevölke-rungsexplosion, Milliarden von Menschen würden aus purer Not die letzen Bäume ihrer Region fällen und den Busch abbrennen. Menschen in Industriestaaten wollte der Forscher dagegen durch Samen und Hormonspritzen zum Nachwuchs verhelfen – obwohl sie in weit höherem Maße Rohstoffe plündern und die Umwelt verschmutzen als die meisten Menschen auf der Südhalbkugel. Leidenbergers Kritiker brandmarkten daher sein bevölkerungspolitisches Projekt „Paten und Partner“, in dem die Geburtenkontrolle in Kamerun und Nigeria geübt werden sollte, „als rassistische Bevölkerungspolitik“.

Für Wirbel hatte Leidenbergers Forschungsteam auch 1989 gesorgt, als sein Hamburger Institut bei einer Langzeitstudie Schülerinnen des Gymnasiums Finkenwerder mit Ultraschalluntersuchungen und Blutentnahmen traktieren wollte. Das Projekt wurde abgeblasen.

Die heftigen Proteste, die Ende der achtziger Jahre gegen solche und ähnliche Forschungsprojekte laut wurden, sind mittlerweile abgeflaut; die gesellschaftliche Akzeptanz ist gestiegen. Leidenberger bedankte sich daher gestern bei Mirow, daß Hamburg trotz „Widerstand und Vorverurteilung“ sein Institut und Unternehmen unterstützt habe und das auch weiterhin tut.

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