piwik no script img

Castoren strahlen, HEW zahlen

Hamburgs Atom-Konzern weist Vorwürfe zurück und erhöht die Dividende. Kiels Energieminister Möller wird energisch  ■ Von Sven-Michael Veit

Manfred Timm hat heute einen anstrengenden Tag vor sich. In der Handelskammer wird der Vorstandschef der Hamburgischen Electricitäts-Werke (HEW) am Vormittag die Jahresbilanz 1997 vorstellen. Obwohl das Zahlenwerk bis dahin unter Verschluß gehalten wird, ist bereits klar, daß die mehrheitlich der Stadt Hamburg gehörenden HEW ihr bislang erfolgreichstes Geschäftsjahr vermelden können. Die Konsequenz: Die Dividende für die Aktionäre soll um drei auf rekordträchtige 23 Prozent erhöht werden.

Bei seiner Rückkehr in die Konzern-Zentrale in der City Nord wird Timm jedoch der graue Alltag einholen. In der Post wird er nach Informationen der taz einen ultimativ formulierten Brief des Kieler Energieministers Claus Möller (SPD) vorfinden. Der begehrt „noch in dieser Woche“ überzeugende Antworten auf „den beigefügten“ mehrseitigen Fragenkatalog über verstrahlte Castor-Transporte aus dem AKW Brunsbüttel in die französische Wiederaufarbeitungsanlage La Hague zu erhalten. Möller fordert „nachprüfbare Belege“ der HEW darüber, „wer wann was über kontaminierte Behälter gewußt und darüber wann wen in welchem Umfang informiert hat“.

Es gebe „erheblichen Aufklärungsbedarf“, so Möllers Pressesprecher Marco Carini. Informationen, der Minister beabsichtige zudem, den HEW-Chef nach Kiel „einzubestellen“, wollte er nicht bestätigen. Es könne aber sein, räumte Carini ein, daß es demnächst „zu einem Gespräch zwischen den Herren“ komme.

Daran würde gar zu gern auch Hamburgs Umweltsenator Alexander Porschke (GAL) teilnehmen. Denn der, im Nebenjob immerhin Aufsichtsrat bei den HEW, harrte gestern nachmittag noch immer „einer umfassenden und abschließenden Stellungnahme“ seines Vorstandschefs. Dessen bisherige Einlassungen seien bestenfalls „eine Zwischeninformation“.

Timm hatte gestern lediglich „Vertuschungsvorwürfe“ zurückgewiesen. Die Zuständigkeit des Reaktor-Betreibers ende am Werkstor. Für die Überführung der Castor-Behälter seien die Transportgesellschaft NTL in Hanau und deren Auftraggeber, die Cogema (Frankreich), verantwortlich. HEW-Pressesprecher Ulrich Kresse bestätigte jedoch, daß es nicht nur bei zwei, sondern bei mindestens drei Brunsbüttler Castor-Transporten zu Überschreitungen der Grenzwerte für radioaktive Strahlungen gekommen sei. Vom dritten Fall habe man aber erst am 14. Mai aus dem Bonner Umweltministerium erfahren.

Obwohl die HEW somit keinerlei Schuld träfe, versicherte Timm dennoch, „Vorschläge für technische Abhilfemaßnahmen und für ein verbessertes Informationssystem bei Transporten unterbreiten“ zu wollen. Dies hatte gestern in Bonn auch Bundesumweltministerin Angela Merkel (CDU) gefordert (siehe Bericht Seite 1).

Auch Hamburgs PolitikerInnen erwarten Timms Vorschläge mit Interesse. Die Regierungsfraktionen von SPD und GAL wollen „den Castor-Skandal“ am Mittwoch in der Bürgerschaft geißeln. Die Grünen „erwägen“ zudem, eine Sondersitzung des Umweltausschusses zu diesem „sehr dubiosen Thema“ einzuberufen.

40.000 mal Danke!

40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen