■ Die Anderen: Der liberale "Independent" sieht noch einen langen Weg bis zum Frieden in Nordirland / Die KP-nahe französische "L'Humanite" kommentiert / "Liberation" hält das Nordirland-Referendum für epochal / "Le Figaro" kommentiert
Der liberale britische „Independent“ sieht noch einen langen Weg bis zum Frieden in Nordirland: Nach Jahrzehnten des Stillstands bewegt sich die Politik in Nordirland in unvorstellbarer Geschwindigkeit und Richtung. Die Dynamik im Friedensprozeß hat durch die überwältigende Unterstützung in der Bevölkerung massiv an Schwung gewonnen. Die vielen Würdigungen für die Politiker David Trimble, John Hume und Tony Blair sind wohl verdient. Doch es darf nicht vergessen werden, daß sie schnelle Fortschritte teilweise nur erzielen konnten, weil einige der schwierigsten Probleme um der Verständigung willen ausgespart blieben. Das war völlig richtig. Doch müssen diese Fragen jetzt gelöst werden.
Die KP-nahe französische „L'Humanité“ kommentiert: Die Tragödie schien niemals enden zu können. Es brauchte viel Mut, um die Dämonen des Hasses zu überwinden: In beiden irischen Lagern haben hellsichtige Menschen diesen Mut in ihrem Inneren gefunden. Nötig war dieser Mut auch bei der britischen Regierung von Tony Blair. Dessen konservative Vorgänger, Margaret Thatcher und John Major, hatten ihn nicht. Sicherlich kann Nordirland noch das Opfer eines unvorhersehbaren Aufbäumens werden. Das Referendum vom 22. Mai hat nicht die Kraft eines Zauberstabes. Aber welche Volksabstimmung, welche Entscheidung, welche Revolution gar hat auf der Welt jemals auf einen Schlag alle Probleme gelöst?
„Libération“ hält das Nordirland-Referendum für epochal: Irland hat den Frieden gewählt. Überraschend ist vor allem die massive Zustimmung von 676.966 Nordiren bei 1,1 Millionen Wahlberechtigten im geteilten Ulster. Dort konnte sich erstmals eine Mehrheit von Katholiken und Protestanten über ein gemeinsames Vorhaben einigen. Dies bedeutet eine wirkliche Revolution in einer Provinz, in der traditionell die Wählerstimmen strikt nach Abstammungen ausgezählt werden konnten. Ulster, von dem man befürchtet hatte, daß es jeder politischen Entwicklung gegenüber verschlossen sei, hat einen Kompromiß gewählt, der nicht perfekt ist, aber der den beiden Gemeinschaften erlaubt, zusammen in Frieden zu leben.
„Le Figaro“ kommentiert: Tony Blair kann mit Recht zufrieden sein. Seine Rolle in der irischen Angelegenheit und seine hervorragenden Beziehungen mit (seinem irischen Amtskollegen) Bertie Ahern waren entscheidend in Momenten der Zweifel. In der vergangenen Woche noch beruhigte er in Belfast diejenigen, die an der gemeinsamen Zukunft von Unionisten und Nationalisten zweifelten. Die Debatte ist noch nicht beendet. Doch der Rahmen, indem sie ablaufen muß, ist nun festgelegt und von einer sehr großen Mehrheit akzeptiert worden. Es bleibt aber noch viel zu tun. Eine Wählerbefragung jagt in Nordirland die nächste. Am 25. Juni sollen die Wähler ihre Vertreter für ihr (regionales nordirisches) Parlament bestimmen.
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