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Global, Baby!

■ In 200 Seiten um die Welt: „Nachtkommando“, der neue Medienthriller des Hamburger Autors Robert Brack

Einmal im Schnelldurchlauf. Das sind die Orte der Handlung: der zugefrorene Weißensee in Berlin, die schwimmende Festung eines japanischen Medienkriminellen im französischen Atlantik, winterliche Gärten, in denen debile Superreiche Cocktailparties feiern, sowie natürlich heruntergekommene Stripbars und Abbruchhäuser rund um den Globus. Das sind die Figuren: ein deutscher Medienmogul, der die Bibel verfilmen will, eine Jugendgang mit dem uneinladenden Namen „Sarajevo Homeboys“, eine junge Frau, die mit der Moral einer Mata Hari ihre Interessen durchsetzt, sowie natürlich ein Haufen Halbweltkasper und Hosenscheißer, die überhaupt nur auf der Bildfläche erscheinen, um ein paar Seiten später dran glauben zu müssen.

Globalisierung, Baby! Robert Bracks Medienthriller Nachtkommando besitzt Handlungsradius und Personalaufkommen eines mittelschweren Bond-Abenteuers – und das Ganze wird dann mal schnell in rund 200 Seiten gequetscht. Daß der Leser dabei nicht auf der Strecke bleibt, liegt an der narrativen Chuzpe des Hamburger Vorzeige-Kriminalisten. Brack gibt in einem Moment den Fabulierer, im anderen den Ökonomen. Immer zur rechten Zeit.

Man muß diesem zuvorkommenden Erzähler einfach dankbar sein, denn er nervt uns nicht mit den Namen von Typen, die ein paar Seiten später sowieso unsanft aus der Handlung entfernt werden. Und auch wenn einem der Plot manchmal reichlich unhandlich vorkommt – entgleiten tut er Brack zu keinem Zeitpunkt. Auch wenn er der einen oder anderen Laune nachgibt. Einige Figuren umgibt eine gewisse schillernde Aura, bei denen verweilt er gerne ein bißchen länger, auch wenn er nie versucht, sie psychologisch zu durchleuchten. Für andere braucht er nur ein paar Seiten, um sie flink vorzuführen. Dabei liegt es in der Natur der Sache, daß die meisten Charaktere Stereotypen bleiben – etwa der Medienmogul Leonard Kapelli, der zumindest die Initialen mit einem real existierenden deutschen Branchenmonster teilt.

Das Zappen zwischen den verschiedenen Handlungssträngen ist schon im Thema angelegt. Denn darum geht es in der wild ausholenden Storyline: um einen Decoder, der den Empfang von 1000 TV-Sendern ermöglichen soll. Also um die Macht auf dem europäischen Fernsehmarkt. Bei der Jagd auf das Objekt der Begierde mischt auch das wohlbekannte „Gangsterbüro“ mit, einem Zusammenschluß von eher zwielichtigen Gestalten, die dem Fachmann schon aus Bracks letztem Roman bekannt ist. Denn natürlich schätzt der Autor die Produktionsform des Serials, bei dem alle und alles schon eingeführt ist und doch nichts geklärt. Er hoppt durch Raum und Zeit wie die Couchpotato durch die Kanäle, um am Ende zumindest formell alle Handlungsstränge wieder mit der strengen Hand des klassischen Erzählers zusammenzuführen.

Ein Dreh, der Übersicht nur vorgaukelt. Denn die Übersicht haben hier höchstens die gewitzten Gangster, die die eine Partei gegen die andere ausspielen. Ansonsten gilt: nichts genaues weiß man nicht. Christian Buß

Robert Brack: „Nachtkommando“, Edition Nautilus, Hamburg 1998, 222 Seiten, 32 Mark.

Lesung: heute um 21 Uhr im Westwerk, Admiralitätstraße 71

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