: Flugzeuge dürfen weiterhin überall Krach machen
■ Keine Chance für die Novelle des Fluglärmgesetzes. CDU: Gesundheit ist nicht vorrangig
Bremen (taz) – Millionen Menschen müssen das Wachstum der Luftfahrt und der Flughäfen in den eigenen Gehörgängen erleben: Immer mehr Starts und Landungen belasten die Anlieger mit immer mehr Krach, der zu Bluthochdruck, Streß, Schlafstörungen und Herzinfarkt führen kann. Der Schutz der Geschädigten – die Bundesvereinigung gegen Fluglärm spricht von zehn Prozent der Bevölkerung – wird von einem Uralt-Gesetz aus dem Jahre 1971 geregelt. Obwohl alle Experten akuten Handlungsbedarf sehen, dürften Anträge der Bündnisgrünen und der SPD, das Gesetz zu novellieren und den Gesundheitsschutz zu verbessern, heute im Verkehrsausschuß des Bundestages an den Stimmen der Koalition scheitern.
Lärmgeschädigte und Wissenschaftler beklagen zahlreiche Lücken im Gesetz: So sei es nicht sinnvoll, Fluglärm mit einem Dauerpegel zu erfassen, also über sechs Monate einen Mittelwert aus allen Lärmbelastungen zusammenzurechnen. „Man wird nicht von einer Rechengröße geweckt, sondern von einem Einzelereignis“, sagt Hans Beckers von der Bundesvereinigung gegen Fluglärm. Zum Schutz vor Krach in der Nacht gibt es überhaupt keine Bestimmung. Weiterhin seien die strengsten Schutzzonen, in denen Wohnen nicht erlaubt ist, viel zu klein. Mancherorts umfassen sie nicht einmal das Flughafengelände. Außerdem werde etwa Straßenlärm völlig anders gewertet als Fluglärm. Das sei verfassungsrechtlich bedenklich.
Die Grünen wollen im Gesetz eindeutig der Gesundheit den Vorrang vor allen verkehrlichen und wirtschaftlichen Belangen geben. Daran stößt sich die CDU, auch wenn in der Fraktionsarbeitsgruppe Verkehr die Schwächen des Fluglärmgesetzes ebenfalls gesehen werden. Der Gesundheitsbegriff sei ganz schwer zu definieren, so das Hauptargument. Eventuelle Einschränkungen des Flugverkehrs mit dem Hinweis auf die Gesundheit der Bevölkerung seien womöglich nicht gerichtsfest. Dennoch ist auch die CDU dafür, in der nächsten Legislaturperiode die Novellierung voranzutreiben.
„Die Koalition hat sich viel zu wenig mit dem Thema befaßt“, kritisiert Hans Beckers. Die Mängel im Gesetz seien seit Jahren offensichtlich. Das Lärmproblem werde auch durch leisere Flugzeuge nicht gelöst. Zwar sänke die Zahl der Geschädigten, in direkter Umgebung der Flughäfen und in den Einflugschneisen stiegen die Belastungen jedoch weiter.
Die Anti-Fluglärm-Bewegung ist heute schwächer als vor einigen Jahren, räumen die Aktivisten ein. Militärische Tiefflüge sind rückläufig, so manche Bürgerinitiative habe sich daraufhin aufgelöst. Joachim Fahrun
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen