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Indiens Verteidigungsminister will Atomsprengköpfe

■ George Fernandes befürwortet als erster Minister die Produktion von Nuklearwaffen. Pakistan stellt für den Fall eines Angriffs Bürgerwehren an der Grenze zum Nachbarland auf

Neu-Delhi/Barcelona (dpa) – Der indische Verteidigungsminister George Fernandes will die Armee seines Landes mit Atomwaffen ausrüsten und Raketen mit nuklearen Sprengköpfen bestücken. Einen Zeitplan dafür nannte er gestern im indischen Fernsehsender Star News aber nicht. Das Moratorium für Atomtests bleibe gültig. „Unsere Wissenschaftler denken, daß die Tests ihnen schon genug Material für die Bewaffnung geliefert haben“, sagte Fernandes.

Fernandes ist der erste Minister der indischen Regierung, der sich seit den fünf Atomtests vor zwei Wochen klar für den Bau von Atomwaffen ausgesprochen hat. Indien besitzt sowohl Kurz- als auch Mittelstreckenraketen. Die Mittelstreckenrakete Agni ist allerdings seit vier Jahren nicht mehr getestet worden.

Aus Angst vor einer indischen Bedrohung organisieren die Behörden im pakistanischen Teil Kaschmirs nun eine Bürgerwehr. An der 700 Kilometer langen Grenze zu Indien würden 2.000 Männer in 170 Dörfern mit Gewehren ausgerüstet und in Komitees organisiert, sagte der Regierungschef im pakistanischen Teil Kaschmirs, Sultan Mahmood Chaudhry, am Dienstag in Islamabad.

Chaudhry begründete diese Bürgerwehren mit einem Massaker an 21 Dorfbewohnern vor drei Wochen. Er machte dafür „Eindringlinge“ verantwortlich. Außerdem verwies er auf Äußerungen des indischen Innenministers Lal Krishna Advani, der Pakistan jüngst „aktive Maßnahmen“ wegen der Unruhen im indischen Teil Kaschmirs angedroht hatte.

„Die Spannung an der Waffenstillstandslinie ist sehr hoch“, sagte Chaudhry. Die Beziehungen zwischen beiden Ländern haben sich seit den indischen Atomtests drastisch verschlechtert. Indien und Pakistan haben zwei ihrer drei Kriege um Kaschmir geführt. Zwei Drittel der Region stehen unter indischer, ein Drittel unter pakistanischer Herrschaft. Indien wirft Pakistan vor, muslimische Rebellen im indischen Teil Kaschmirs zu unterstützen. Diese werden auch für ein Massaker an Hindus im April verantwortlich gemacht. Kurz darauf war ein ähnliches Massaker an Muslimen im pakistanischen Teil Kaschmirs verübt worden.

Eine der Milizen im indischen Gebiet, die Jammu und Kaschmir- Befreiungsfront (JKLF), wandte sich gestern an UN-Generalsekretär Kofi Annan und forderte eine Volksabstimmung in Kaschmir. Die Vereinten Nationen hatten dies schon vor 50 Jahren vorgeschlagen. Indien lehnt ein Referendum aber mit der Begründung ab, die Bevölkerung im indischen Teil Kaschmirs beteilige sich an Wahlen und erkenne damit die Zugehörigkeit zu Indien an.

Die Nordatlantische Versammlung hat zum Abschluß ihrer Frühjahrstagung in Barcelona die indischen Atomwaffentests verurteilt. Sie hätten die Instabilität in Süd- und Zentralasien vergrößert, betonten die Nato-Parlamentarier gestern. Nach Ansicht aller Delegierten bedeuteten die Atomversuche einen Rückschlag für die internationalen Bemühungen, das nukleare Wettrüsten aufzuhalten, sagte der Präsident der Versammlung, der US-Senator William V. Roth.

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