: Ströbele, tu was!
■ Stahl-Flokati-Konstruktion, Wassergrotte und Rumhängen wider die Neu-Kreuzberger Futonfickerei... Doch das Bächlein im Grabsteintresen versiegt: Das Arcanoa macht dicht
Das Arcanoa ist strange. Eine finstere Kunstkneipe, die idealistisch wie die taz begann, ein düsteres Museum, in dem die späten 80er Jahre zerzaust überlebten. Mit der Futonfickerei arrivierter Kreuzberger hat man auf der falschen Seite der Zossener Straße recht wenig zu tun. Mit artigen Konzeptlokalitäten auch nicht. Alle Dinge widersprechen einander aufs schärfste und finden doch irgendwie zueinander. Man sitzt auf merkwürdigen Stahl-Flokati- Konstruktionen herum und schaut verträumt auf eine seltsame Wassergrotteninstallation mit echtem Wasser und echten Pflanzen. Am Tresen aus ausgedienten schwarzen Grabsteinen mit der Rinne, wo ein kleines Bächlein fließt, steht proletarische Kreuzberger Subkultur mit Tattoos an den Armen.
Die Grabsteine hatten die Macher des Arcanoa – allerlei alternativ gesinnte Idealisten und die Künstlergruppe Dead Chickens – vor zehn Jahren, als sie den Laden aufbauten, auf dem Müll eines Friedhofs am Hermannplatz gefunden. Das kam halt so. Die drei Räume des Arcanoa haben etwas Höhlenartiges. Ein Zauberer schaut von der Wand aufs Geschehen. Ab und an kommt östliches Hippiemittelalter vorbei.
Man hängt so rum in merkwürdigen Menschennestern obskurer Gruftiephantasien; im Niemandsland zwischen Auenland und dem Texas Chainsaw Massacre. Ein Kifferparadies, in dem man sich grad einen Joint anmachen will, da kommt flugs das Verbot vorbei, das den, der es ausspricht, mit Sicherheit nicht weniger nervt als den, den es trifft. Während in bürgerlicheren Berliner Kneipen und Cafés und auch im InterCity unbehelligt gekifft wird, ist es hier strengstens untersagt, weil die Gäste nicht ins Berlin-Werbebild passen.
Grad in der Zeit, als das Bundesverfassungsgericht den Cannabiskonsum entkriminalisierte, „hatten die eine Razzia bei uns gemacht und behauptet, es wären mehrere Jointstummel bei uns gefunden worden“, erzählt Petra Franke, die Besitzerin des Arcanoa. Verletzung der Aufsichtspflicht und Duldung des Drogenkonsums lautete der Vorwurf. Ihrer Kollegin, die bei der Razzia grad da war, wurde die Konzession entzogen, „obwohl die angeblichen Joints nicht einmal untersucht wurden! Die haben sich auf Zivis berufen, die notiert hatten, an welchen Tagen zu welcher Uhrzeit gekifft worden war. Wir hatten dem Wirtschaftsamt erklärt, daß wir das Kiffen nicht so gewichtig gefunden hatten. Alkohol ist ja eine härtere Droge, und im Gaststättenkursus lernst du, auf Briefchen zu achten. Keine Rede von Haschisch! Aber wenn du nicht jeden Kiffer rausschmeißt, gilt das als Duldung von Drogenkonsum. Danach mußten wir jedenfalls noch eine Aufsichtsperson einstellen, Spiegel befestigen und Jointverbotsschilder aufhängen. Ein halbes Jahr später gab es die nächste Razzia. Wieder wurden die angeblichen Jointstummel nicht untersucht. Ich bin dann vor das Verwaltungsgericht gegangen, hab 'ne einstweilige Verfügung beantragt und eidesstattlich versichert, daß wir unserer Aufsichtspflicht nachgekommen sind. Das hat dem Richter ganz gut gefallen, und wir haben dann recht bekommen.“ Ein Erfolg, der die sympathischen Kneipenaktivisten auch nicht retten konnte.
Wegen ständiger Nervereien mit Polizei, Wirtschaftsamt und vor allem einem Mieter des Hauses, der andere aufgewiegelt hätte und gegenüber Petra Franke auch recht handgreiflich geworden sei, wurde der Mietvertrag nicht mehr verlängert.
Ende Juli wird Schluß sein.
Schnief!
Sozial (Kiezküche, keine Eintrittspreise bei Veranstaltungen) war das Arcanoa immer, avantgardistisch war es manchmal; hip oder cool war es nie. Die Aktivisten der APPD (Anarchistische Pogo-Partei Deutschlands), die hier ihre Parteizentrale haben, sind sehr traurig. Die merkwürdigste Kneipe Kreuzbergs geht dahin. Ströbele, tu was!
Unter das Jointverbotsschild hat jemand „Sterben verboten“ geschrieben. Detlef Kuhlbrodt
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