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Auch die FU erprobt Staatsferne

■ Der Akademische Senat will über den Haushalt entscheiden, der Präsident neue Professoren selbst berufen. Ob der Wissenschaftssenator seiner Entmachtung zustimmt, ist aber ungewiß

Wenn der Staat den Unis weniger Geld gibt, dann soll er ihnen auch weniger Vorschriften machen: Nach diesem Prinzip will jetzt auch die Freie Universität (FU) ihre Geschicke selbst in die Hand nehmen. Ihren Haushalt will die FU künftig nicht mehr gemeinsam mit Politikern, Gewerkschaftern und Arbeitgebern im Kuratorium beschließen, sondern im Akademischen Senat, wo der professoralen Mehrheit wissenschaftliche und sonstige Mitarbeiter sowie Studenten gegenüberstehen. Neue Professoren soll nicht mehr der Wissenschaftssenator, sondern der FU-Präsident berufen. Diese zentralen Punkte einer neuen Universitätsverfassung stellte FU- Vizepräsident Peter Gaehtgens gestern vor.

Damit folgt die FU der Humboldt-Universität (HU), die bereits im vorigen Jahr die Eingriffsrechte des Staates zurückschnitt. An die Stelle des herkömmlichen Kuratoriums tritt dort ein Gremium aus unabhängigen Fachleuten. Den Vorsitz hat die frühere Vorsitzende des Wissenschaftsrats, Dagmar Schipanski, ihre Stellvertreterin ist die frühere hessische Wissenschaftsministerin Evelies Mayer.

Auch die FU plant nun ein solches Gremium aus Personen des öffentlichen Lebens. Es soll aber anders als an der HU keine Entscheidungsbefugnisse haben. Daher gilt es als ungewiß, ob sich namhafte Mitglieder gewinnen lassen. Unklar ist auch, ob der Regierende Bürgermeister den ihm angetragenen Vorsitz annimmt.

Bevor die neue Satzung zum 1. Januar 1999 in Kraft treten kann, müssen das bestehende Kuratorium und Wissenschaftssenator Peter Radunski (CDU) ihrer Entmachtung noch zustimmen. Einen Verzicht auf sein Recht, die Professoren zu berufen, hatte Radunski schon bei der HU abgelehnt. „Von dieser Haltung weichen wir nicht ab“, erklärte seine Sprecherin gestern. Sie ermahnte die Hochschulen, nicht nur das Verhältnis zwischen Staat und Hochschule neu zu regeln, sondern auch „innere Reformen“ anzugehen.

Studentenvertreter kritisierten jedoch, die Möglichkeit einer inneren Demokratisierung an der FU sei nicht genutzt worden. Statt dessen habe sich das „professorale Machtkartell“ die zusätzlichen Kompetenzen angeeignet. Ursprünglich wollten Präsident, Vizepräsidenten und Kanzler der FU sogar allein über alle wesentlichen Fragen entscheiden. Das scheiterte jedoch am Widerstand auch der Professoren im Akademischen Senat. Vizepräsident Gaehtgens versuchte seine Niederlage gestern zu überspielen. Er habe den „Konsens zwischen den Fraktionen“ gesucht. Es gebe aber an den Hochschulen in ganz Europa einen „generellen Zug“ zu „höherer Effizienz durch verstärkte Leitungskompetenz“. Ralph Bollmann

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