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■ Montenegro: Djukanović' Wahlsieg bedroht Milošević' MachtDie Sehnsucht nach Normalität

Viele in Montenegro und auch in Serbien haben den Wahlsieg von Milo Djukanović erhofft. Erwartet werden konnte er nicht. Denn die Machthaber in Belgrad haben alles versucht, diesen Sieg zu verhindern. Sie drohten mit Gewalt, verhängten einen Wirtschaftsboykott und ließen Militär und Geheimdienste nach Montenegro bringen. Genützt hat es nicht.

Dies ist um so erstaunlicher, als alle Wähler wußten, worum es ging: Wenn Djukanović sich in der formell mit Serbien gleichberechtigten jugoslawischen Teilrepublik Montenegro durchsetzt, muß Milošević um seinen Posten als jugoslawischer Präsident fürchten. Djukanović hat im Wahlkampf keinen Zweifel daran gelassen, daß die Herrschaft Milošević' ein Hemmschuh für die friedliche und demokratische Entwicklung in Montenegro und Serbien ist. Und er auch klargemacht, daß Montenegro, falls dazu gezwungen, bereit sein muß, die Unabhängigkeit anzustreben. Dann wäre der Posten eines jugoslawischen Präsidenten, den Milošević zur Zeit besetzt, überflüssig.

Nur in jenen Serbien nahe gelegenen Gebieten des Nordostens, die historisch nicht zu Montenegro gehören, stimmte die Bevölkerung mehrheitlich für den Statthalter Milošević in Montenegro, Momir Bulatović. Die überwältigende Mehrheit der Bevölkerung des montenegrinischen Kernlandes hat dagegen gezeigt, daß sie sich von Serbien nicht mehr gängeln lassen will. Die Montenegriner wollen nicht in einem Boot mit jenen sitzen, die durch ihre abenteuerliche Politik im Kosovo die Proteste des Auslands heraufbeschwören. Die montenegrinische Bevölkerung will raus aus der Isolation und dem wirtschaftlichen Niedergang, will teilhaben am Tourismusboom, will nach dem Krieg in Kroatien und Bosnien wieder zu einem normalen Leben zurückfinden. Und, last, not least — sie hat sich für das friedliche Zusammenleben mit den muslimischen und albanischen Minderheiten im Vielvölkerstaat Montenegro entschieden.

Das „Bündnis für ein besseres Leben“ des Milo Djukanović spricht auch jenen Serben aus dem Herzen, die noch vor Jahresfrist gegen Milošević und für die Demokratie demonstrierten. Mit dem Sieg Djukanovićs könnte die innenpolitische Szene auch in Serbien wieder in Bewegung geraten. Sicher aber ist, daß es Milošević und seinen Anhängern von nun an schwerer fallen wird, Montenegro zu destabilisieren. Die Bevölkerung des kleinen Nachbarstaates hat gezeigt, daß sie zu Djukanović' Kurs steht. Jeder Versuch, Djukanović mit Gewalt zu stürzen, würde nach diesem Wahlergebnis in einen Bürgerkrieg führen. Erich Rathfelder

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