Proteste zum Tiananmen-Jahrestag

■ Honkong gedenkt des Tiananmen-Massakers mit Demonstrationen. Peking duldet sie, aber eben nur in der Sonderverwaltungszone

Hongkong (taz) – Im Vorfeld des neunten Jahrestags des Tiananmen-Massakers am Donnerstag hat die Polizei in China 20 Dissidenten festgenommen und zehn weitere unter Hausarrest gestellt. Das hat die in der Volksrepublik verbotene Chinesische Demokratische Gerechtigkeitspartei am Sonntag in New York mitgeteilt. Nach Angaben des Hongkonger Informationszentrums für Menschenrechte und Demokratie in China hat die chinesische Polizei am Freitag in der Provinz Anhui einen Bürgerrechtler festgenommen. Er sollte daran gehindert werden, zum Jahrestag nach Peking zu reisen, wo er Präsident Jiang Zemin eine Petition übergeben wollte. 21 Regimekritiker verlangen in einem Appell von Peking eine Entschuldigung für die Niederschlagung der Demokratiebewegung 1989.

Gleichzeitig haben am Sonntag in Hongkong 2.700 Menschen aus Anlaß des Jahrestags für Demokratie in China demonstriert – völlig unbehelligt von den Regierungen in Hongkong und Peking. Auf Transparenten forderten sie ein Ende der Einparteienherrschaft und die Bestrafung der Verantwortlichen des Massakers. „Die Regierungen sind schlauer geworden. Es nützt ihnen mehr, wenn sie die Demonstrationen erlauben“, sagte der in Hongkong lebende chinesische Dissident Han Dongfang Lee. Cheuk-yan, einer der Sprecher der Veranstalter, wies darauf hin, daß Hongkongs Regierung für ein Verbot noch die rechtliche Grundlage fehlt. Sei das geplante Antisubversionsgesetz erstmal verabschiedet, könnten solche Proteste künftig verboten werden. Letztes Jahr hatte Hongkongs Regierungschef Tung Che-hwa die Bevölkerung noch gedrängt, nicht zu demonstrieren. Darauf war die Teilnehmerzahl der jährlichen Kundgebung am 4. Juni auf 55.000 angestiegen. Für Donnerstag wird mit einer ähnlich hohen Beteiligung gerechnet.

Die in Hongkong erscheinende South China Morning Post nannte die Proteste ein „Test der Formel ein Land – zwei Systeme“, nach der Hongkong weitgehende Autonomie von Peking zugesagt wurde. Am 4. Juni 1989 waren beim Einsatz der Armee gegen demonstrierende Studenten auf dem Platz des Himmlischen Friedens (Tiananmen) in Peking mehrere hundert, wenn nicht mehrere tausend Menschen getötet worden. Über 3.000 der damals Verhafteten sind noch in Haft, so das Informationszentrum für Demokratie und Menschenrechte in China. Sven Hansen