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Adlershof: Umzug auf potemkinschen Campus

■ Umzugsplanung der Humboldt-Uni bis 2010 gestreckt. Um das Prestigeprojekt zu retten, sollen Informatiker und Mathematiker in Provisorien ziehen. Doch die Infrastruktur fehlt, und die Mieten belast

Kurz vor dem Umzug des ersten Uni-Instituts nach Adlershof wächst die Kritik am Terminplan für das Prestigeprojekt. Zwar ziehen die Informatiker der Humboldt-Universität (HU) bereits am 21. Juli in gemietete Büros, Mathematiker und Psychologen sollen nach den Plänen der Wissenschaftsverwaltung binnen Jahresfrist folgen. Doch für die HU-eigenen Gebäude auf dem neuen Campus ist noch nicht einmal eine Baugrube ausgehoben.

Erst im September soll auf dem Chemie-Gelände der erste Spaten ins Erdreich sinken, für den Physik-Neubau ist gerade der Architektenwettbewerb beendet. Bis zum Jahr 2003 sollen die Institute für Chemie, Physik, Mathematik und Informatik bezugsfertig sein. Geographen, Psychologen und Biologen sollen bis zum Jahr 2010 ihre endgültigen Domizile beziehen.

Mathematiker und Psychologen, derzeit in landeseigenen Gebäuden kostenneutral untergebracht, müßten also fünf bis zehn Jahre lang Miete bezahlen. Dafür müßte die HU zusätzlich 3,5 Millionen Mark pro Jahr berappen, die sie nach dem Willen von Wissenschafts-Staatssekretär Erich Thies (CDU) „durch entsprechende Ausgabenreduzierungen kompensieren“ soll.

Mehr Sorgen als die Mietkosten bereitet den Wissenschaftlern jedoch die fehlende Infrastruktur. Bibliothek und Rechenzentrum sollen bis 2003, die Mensa soll sogar erst 2010 fertig sein – wenn es bei der jetzigen Planung bleibt, die bereits im vergangenen Jahr um 200 Millionen auf 550 Millionen Mark abgespeckt und um sechs Jahre gestreckt wurde. Damit verlängerte sich die Umzugsphase von ursprünglich geplanten fünf Jahren auf zwölf Jahre.

Auf die Informatiker kommen einstweilen „eine Reihe von Mehrbelastungen“ zu, sagt Institutsdirektor Joachim Fischer. Als „interdisziplinäre Einrichtung“ sei die Informatik mit 15 anderen Instituten „verzahnt“. Die Nebenfach- Ausbildung müsse daher ebenso wie das Grundstudium weiter in Mitte stattfinden. „Rein technisch“ sei zwar auch „Tele-Teaching“ möglich. „Man lernt nicht so gern vom Bildschirm“, gibt er jedoch zu bedenken. Immerhin hätten die Informatiker auf den gemieteten Neubau „noch Einfluß nehmen“ können, „viele Räume“ seien daher „ziemlich adäquat“. Das für die Mathematiker vorgesehene Provisorium hingegen sei „für die Nutzung durch ein Mathematik-Institut nicht geeignet“, sagt Institutsdirektor Jochen Brüning. Über das Umfeld wolle er „gar nicht reden“, denn „für die Studenten findet sich gar nichts“. Die Notwendigkeit dieser Übergangslösung sei „nicht leicht einzusehen“.

Nach seiner Ansicht ist jetzt die Politik gefordert, „den Campus im ganzen zügig umzusiedeln und mit dem Geist des Aufbruchs zu erfüllen“. Das ist nach Ansicht des bündnisgrünen Abgeordneten Anselm Lange nur mit einem „modifizierten Konzept“ machbar. Ein zügiger Umzug sei mit den abgespeckten Finanzen nur möglich, wenn er sich auf die „Kernbereiche“ Mathematik, Informatik, Physik und Chemie beschränke. In den jetzigen Umzugsplänen sieht Lange nichts anderes als den Versuch, „Fakten zu schaffen, und zwar auf die billigste Weise“. Ralph Bollmann

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