Bittere Bilanz aus vollem Herzen

Umweltschützer schlagen Alarm: Nationalparks an der Nordsee sind bedroht. Hamburgs Beitrag ist „klein, aber relativ fein“  ■ Von Sven-Michael Veit

Hamburg könnte „eine Vorreiterrolle“ beim Schutz des Wattenmeeres spielen. Kurz und prägnant ist das Fazit einer Studie über den Zustand der norddeutschen Küsten-Nationalparks, die der World Wide Fund For Nature (WWF) gestern im maritimen Ambiente des Museumsseglers „Rickmer Rickmers“ vorstellte. Der Nationalpark Hamburgisches Wattenmeer, der nur zwei Prozent des Schutzgebietes von der dänischen bis zur holländischen Grenze ausmacht, schneidet dabei „klein, aber relativ fein“ ab. Insgesamt aber, so WWF-Geschäftsführer Georg Schwede, fehlten „der Respekt vor der Natur“ und „der politische Wille, sie nachdrücklich zu schützen“.

Viele Tiere wie die Kegelrobbe, die Zwergseeschwalbe oder die Schweinswale in Nord- und Ostsee sind stark bedroht; Pflanzen wie der Baltische Enzian und Tiere wie die Raubseeschwalbe sind bereits ausgestorben. Selbst in besonders geschützten Gebieten der Küsten-Nationalparks lassen Motorboote oder Schnellfähren keine ungestörte Entfaltung von Flora und Fauna zu. Hinzu kommen Bedrohungen durch die Erdölförderung direkt vor der Vogelinsel Trischen nördlich der Elbmündung und die Schießübungen der Bundeswehr in der Meldorfer Bucht. „Die Studie zieht aus unserer Sicht eine bittere Bilanz“, resümierte Schwede.

Um die Natur, „die noch da ist“, dauerhaft zu sichern, müßten all diese Gefährdungen umgehend beseitigt werden. Zudem müsse in die Betreuung der Touristen investiert werden. Nach einer Emnid-Studie plädieren 95 Prozent der Deutschen für mehr Nationalparks, wußte Schwede zu berichten. Die Urlauber seien „interessiert an intakter Natur“, doch fehle es an Personal, das sie informiert und die Ruhezonen der Tiere wie zum Beispiel Seehundbänke überwacht. So arbeitet im hamburgischen Nationalpark nur eine einzige „Rangerin“.

Dabei ist das 11.700 Hektar große Watt um die Insel Neuwerk vor der Elbmündung das weltweit wichtigste Rastgebiet der Brandgänse. Rund 200.000 Vögel werden sich auch in diesem Sommer dort zur Mauser niederlassen. Ungestört von Wattwanderern, Militärjets und Motorbooten werden die zeitweise flugunfähigen Vögel allerdings nicht sein.

„Wo der WWF recht hat, hat er recht“, kommentierte Klaus Janke diese Befunde. Der Leiter des Nationalparks Hamburgisches Wattenmeer in der Umweltbehörde ist sich der Defizite im Naturschutz durchaus bewußt. Zwar stehe Hamburg „recht gut da“, aber eine bessere Information und Lenkung der Touristen sei „absolut notwendig“. Es fehle keineswegs, so Janke, am politischen Willen, „das Wünschenswerte zu machen“, sondern schlicht am Geld: „Die Kassen sind bekanntlich leer.“

Stoßseufzer über „die Haushaltslage, Sie verstehen“ dringen auch aus dem schleswig-holsteinischen Umweltministerium. Aber, versichert Wolfgang Götze, Sprecher des grünen Umweltministers Rainder Steenblock: „Der WWF spricht uns aus dem Herzen.“