Gepeitschte Postapokalypse

■ PRO ZORn zeigt Becketts „Endspiel“ aggressiv und grotesk

Endzeitstimmung im TiK. Zu brachialer Musik mit treibendem Schlagzeugbeat und wimmernder Gitarre wirft sich ein Mann an ein Absperrgitter. Streift unruhig über die sandige Bühne, bis er endlich die Tücher von drei verhüllten Gegenständen lüftet. Es gibt noch Leben außer ihm! Zwei Fernseher und ein Mann im Einkaufswagen kommen zum Vorschein.

Endspiel im TiK. Unter der Regie von Branco Simic peitscht das PRO ZORn Theater Samuel Becketts nachapokalyptische Vision von vier hoffnungslosen Überlebenden zunächst ins Aggressiv-Wilde, um ihr später immer groteskere Töne zu entlocken. Statt in der Mülltonne stecken Nagg und Nell in der Glotze – dort, wo alte Menschen heute ihre Heimat haben. Und statt im Rollstuhl sitzt Sohn Hamm (Oliver W. Kraushaar) im Einkaufswagen – dort, wo junge Menschen heute ihrem Leben Futter geben. Medien und Konsum als letzte Sinngeber der modernen Gesellschaft – und in der Inszenierung als bloße Staffage.

So moderne und zivilisationskritische Akzente Bühnenbild (Heike Vollmer) und Musik (Ratko Danilovic und Adnan Sovtic) setzen, so eng bleibt Simic mit den Dialogen zwischen Hamm und seinem Diener Clov an der Beckettschen Vorlage. Nur wenig umgangssprachlich verfremdet, entfalten die hoffnungslosen Sätze ihre zeitlose Kraft.

Oliver Kraushaar ist ein sehr starker Hamm. Als launischer Despot scheucht er seinen folgsamen Diener Clov (Siegfried Terpoorten) herum, der ein bißchen blaß gegen solch ein Energiebündel aussieht. Doch zusammen stimmt ihre Beziehung und liefert ein lebhaftes Bild gegenseitiger Abhängigkeit. Nagg und Nell erscheinen nur auf den Bildschirmen. Der Vater, von Oliver Kraushaar mit Bart gepoltert, und die Mutter, von Siegfried Terpoorten mit altmodischer Haube genuschelt: groteske Abziehbilder, die überkandidelt vor einer Klospülung im Hintergrund grimassieren. Komödiantisches Talent zeigen beide, doch schlägt absurdes hier in albernes Theater um. Verzweiflung wird nur spürbar, als Nagg mit weit geöffnetem Mund wie ein hungriges Kleinkind „Mein Brei! Mein Brei!“ schreit. Das erinnert an manchen monotonen Monolog aus Bruce Naumans beklemmenden Videoinstallationen – und an das, was letztlich bleibt vom Leben, wenn es jeden Sinns beraubt ist: der pure Selbsterhaltungstrieb.

Karin Liebe

wieder zu sehen beim Festival „Die Wüste lebt“ am 28.6. und 4.7. in den Kammerspielen