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Gute Geister für die Wirtschaft

■ Studenten der Bremer Uni suchen nach einem neuen Verbund von Geist und Ökonomie

Daß Geist sich mit großindustrieller Ratio verknüpfen ließe, wurde lange Zeit bezweifelt. Mit dem Eintritt ins Dienstleistungszeitalter aber verwischen die Gegensätze, die Beziehungen von Produzenten und Konsumenten gestalten sich so light wie die zwischen den Etagen der Arbeit – da braucht es Mittler, die mitmischen und Übergänge durchlässig gestalten.

Prächtig geeignet dazu sind die Geisteswissenschaftler – war es doch von jeher ihre Aufgabe, hermeneutisch gleichzumachen, was verschieden nicht sein soll. Mithelfen dabei will ein jetzt gegründeter Bremer Verein mit dem Namen Bridge – Bremer Ideenforum Geisteswissenschaften –, dessen neun Mitglieder auch die Grenzen zwischen Philosophiestudium und hartem Berufsleben ein wenig aufweichen wollen. Nicht zuletzt als ein Verfahren zur Selbsthilfe: Denn die acht Männer + eine Frau bewegen sich zur Zeit selbst alle auf dieser Grenze zwischen Uni und ungesicherter Zukunft. Schon die Vereinsgründung aber sei ein erster Schritt in die Selbstständigkeit, betont Daniel Borowski, der einstimmig zum Kassenwart ..., pardon, zum Referenten für Fundraising und Finanzen gewählt wurde: Dazu gehöre das Sich-Hineinarbeiten in die Abgründe des Vereinsrechts, aber auch – so sein Vereinsmitglied Jörgen Liffers – das Herstellen von Kontakten, die Betreuung von Referenten.

Quasi prototypisch haben sie das kürzlich mit einer kleinen Tagung schon einmal durchgespielt. Da gab es dann auch Kontakt zu Wolfgang Niehueser, seines Zeichens „einer der ersten Textberater in Deutschland“. Dieser hat sich aufgemacht, gegen den grassierenden rhetorischen Analphabetismus in der deutschen Wirtschaft Abhilfe zu schaffen. Geistreich ist dabei nicht zuletzt sein performatives Vorgehen: Allein mit der sanften Gewalt seiner geschliffenen Rede schafft er sich ökonomische Wirklichkeit. Denn, so referiert Daniel Borowski dieses Vorbild für eine gelungenene Be-Geisterung von Wirtschaftsunternehmen, die meisten Menschen seien überzeugt, daß sie ansprechend schreiben können. Dieses Vorurteil müsse man den Leuten zunächst einmal ausreden. Wenn das gelingt, ist, zack!, nicht nur der neue Beruf des Textberaters, sondern zugleich auch das Bedürfnis nach demselben da.

Mit ihrer Vereinsgründung, so hoffen die jungen Philosophen, ist das nicht anders. Gunter Person vom schon 1993 gegründeten Kölner Verein „Geist und Wirtschaft“ machte ihnen jetzt Mut, vor allem viele Tagungen zu veranstalten. Denn Referenten sind potentielle Referenzen für die Zukunft (auch so funktioniert der Kurzschluß namens Wirklichkeit) und schon gehen „die Türen auf – und zwar die dollsten Türen“.

Das aber hat noch Zeit. Erst einmal will man ganz pragmatisch zeigen, was man gelernt hat, und es an die nachfolgende Generation weitergeben: Im kommenden Semester werden Daniel Borowski und seine zwei Kollegen Thorsten Milenz und Claus Rosenkranz an der Uni Bremen kostenlos Unterricht erteilen: Mit der genuin akademischenDiskussion von „Unternehmensethik“ zum Beispiel. Oder mit Informationen über Berufsbilder von Geisteswissenschaftlern.

Die aber müssen nicht unbedingt bei Siemens angesiedelt sein, sondern können auch ganz einfach im Kulturmanagement und in der Öffentlichkeitsarbeit liegen. Ein paar notwendige Hilfestellungen für den Übergang ins Berufsleben eben. Und auch alle lebenspraktischen Fragen von der Krankenversicherung bis zur Alterssorge wollen die Philosophen gern klären helfen. ritz

„Bridge“ ist über Thorsten Milenz, Tel. 376678, erreichbar

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