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Mit der Maus über die Meister

Gleichzeitig mit der Gemäldegalerie eröffnet am 12. Juni auch die Digitale Galerie. Per Mausklick erfährt der Betrachter allerlei Neues über die Alten Meister  ■ Von Katrin Bettina Müller

Zu den wenigen Glücklichen, die vor der Eröffnung der Neuen Gemäldegalerie in die Hallen des Museums durften, gehört ein Mann von der Bauaufsicht. Der verschwand fast jeden Tag für eine halbe Stunde, um sich der Kunst hinzugeben. Doch weniger die großen alten Schinken waren es, die seine Aufmerksamkeit fesselten, als vielmehr ein Computer: In der „Digitalen Galerie“ gleitete er durch virtuelle Bilderwelten, per Mausklick wurden alte Meister herangeholt. Der Wächter surfte durch entfernt liegende Landschaften am Monitor, holte sich die schönen Frauen, Krieger und andere berühmte Kunstfiguren heran und suchte nach Vergleichsbeispielen am Kunstgeschichtscomputer.

„Der kannte sich darin unglaublich gut aus“, staunte Norman Mißfeldt, der zum zwölfköpfigen Team gehört, das die Digitale Galerie konzipiert hat. Das „Werkgruppentableau“ entwarf er gleich einem Adventskalender mit Überraschungen hinter Türen und Fenster. Das Inhaltsverzeichnis des neuen Informationsprogramms setzte er aus Zitaten der Altniederländischen Malerei zusammen: Klickt man etwa ein Bild an, zieht ein Panorama von Landschaften vorbei, Figuren, die man in ausgewählten Bildanalysen später kennenlernen kann, treten auf und ab. Mit einem weiteren Klick lassen sich die Fußbodenkacheln der Modellarchitektur öffnen: Man erfährt Geschichten über Karl den Kühnen oder Philip den Guten oder kann Auszüge aus dem Reisetagebuch Albrecht Dürers lesen. Ein „Symbolarium“ schlüsselt die Bedeutungen der Pflanzen und Insekten auf; Evas Apfel kennt ja noch jeder, aber bei Lilien und Akelei wird es schon schwierig.

Mißfeldt und sein Team haben die Bilder von Breughel und van Eyck, Patenier und Rogier von der Weyden als ersten Schwerpunkt der Digitalen Galerie angelegt, die später weitere Epochen neben den Niederländern erschließen soll. Die Betrachtung am Bildschirm soll für die Betrachter zu direktere Bildnähe führen. Historische Daten, Bibelstellen, auf die sich das Bild bezieht und viele Informationen führen zu der Illusion, nun alles zu wissen, was in dem Gemälde steckt. Und wer Bilder gar „leerräumen“ kann, wenn gemalte Figuren sich zu bewegen beginnen wie in Breughels „Niederländischen Sprichwörtern“, verliert die Kunst von ihrer Aura und Unberührbarkeit. „Aber daß man direkt im Bild arbeiten kann, ist viel lebendiger, als nur darüber zu lesen“ ist Mißfeldt überzeugt. Nur hier könne man ausprobieren, was Veränderungen des Lichts bewirken und wie der Maler den Blick gelenkt hat.

Die Entwicklung der Digitalen Galerie spiegelt die neue Rolle des Museums. Weil es heute nicht mehr genügt, die Bilderschätze zu bewahren und zu erforschen, drängen Vermittlung und Vermarktung sich immer mehr in den Vordergrund. Gesteigert werden soll dadurch der Erlebniswert des Museumsbesuchs, möglichst verbunden mit kleinen Verführungen des Shoppings. Bisher agierten die Berliner Museen eher zurückhaltend, ihre Bestände als Vorlage einer Andenkenindustrie auszuwerten. Erst mit der Eröffnung der Gemäldegalerie werden die leeren Bücherstände im verschachtelten Foyer des Kulturforums besetzt.

Dort kann man neben zwei der Bildanalysen, die aus der Digitalen Galerie als CD-Rom ausgekoppelt wurden, auch erstmals ein digitales Gesamtverzeichnis erwerben. Diese wissenschaftliche Ergänzung bietet nicht nur 5.000 Abbildungen aller Bilder, einschließlich der Depotbestände der Gemäldegalerie. Ihre Stärke liegt in der Vernetzung von Stichworten. „Da kann ich mir zum Beispiel in einer virtuellen Galerie alle Bilder zeigen lassen, die von venezianischen Adligen in Auftrag gegeben wurden, oder fragen, welche Gemälde zuerst in der königlichen Galerie in Potsdam zusammenhingen“, erzählt Andreas Bienert, der das Verzeichnis mit sechs Studenten der FU erarbeitet hat. „Das ist keine Konkurrenz für den Museumsbesuch, sondern eine sinnvolle Anwendung der digitalen Technik, die ganz andere Quantitäten von Informationen umsetzen kann als die Printmedien“, erläutert Bienert das Konzept.

Verdoppelt wird in der neuen Gemäldegalerie auch das Angebot an Rundgängen, Bildgesprächen, Senioren- und Kinderprogrammen. „In Dahlem hatten wir einen richtigen Stamm von Besuchern, die immer wieder kamen“, erzählt die Kunsthistorikerin Bellin. Am Kulturforum aber hofft die Gemäldegalerie nicht nur auf eine Vergrößerung dieser treuen Fangemeinde, sondern auch vor einem internationalen Publikum wieder glänzen zu können.

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