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Seidenstraße soll wiederaufblühen

Auf einem Investitionsgipfel verspricht die Regierung Kasachstans vor 400 internationalen Geschäftsleuten bessere Investitionsbedingungen. Geplant ist eine Erdölpipeline durch den Iran ans Mittelmeer  ■ Aus Almaty Thomas Dreger

Die historische Seidenstraße verspricht auch heute noch Profit. Schibek Scholi – Seidenstraße – so heißt die Flaniermeile in Almaty, der Wirtschaftsmetropole Kasachstans. Polizisten mit blauen Uniformen und dicken Schlagstöcken versuchen hier ihr karges Gehalt aufzubessern, indem sie Jagd auf Touristen machen, die ihre Pässe zumeist im Hotel gelassen haben. Umgerechnet 15 Mark kostet dieser angebliche Gesetzesverstoß – viel Geld in einem Land, in dem das monatliche Durchschnittseinkommen unter 200 Mark liegt.

In einer Seitenstraße sitzen vor einer modern ausgestatteten Kneipe junge Kasachstaner und ein auf seriös getrimmter Brite. „Ich bin selbständiger Unternehmensberater“, erzählt der Dreißigjährige. In Zukunft werden wohl noch mehr solcher windiger Geschäftsleute in die seit 1991 unabhängige ehemalige Sowjetrepublik kommen. Denn die Regierung will den Markt des Landes weiter für Ausländer öffnen. „Wir arbeiten an der Verbesserung des Klimas für Investitionen“, erklärte Präsident Nursultan Nasarbajew am Donnerstag vor rund vierhundert Geschäftsleuten aus aller Welt.

Gemeinsam mit dem International Herald Tribune hatte Kasachstans Staatliches Investitionskomitee in Almatys teuerstes Hotel geladen. „Wir alle machen Fehler. Kasachstan ist da keine Ausnahme“, erklärte der Präsident : „Aber haben Sie keine Angst! Sie werden vom Gesetz geschützt.“ In Almaty ansässige Geschäftsleute runzelten die Stirn. „Die Gesetze ändern sich hier dauernd“, weiß einer zu berichten. „Doch sie werden genausowenig eingehalten wie Verträge.“

Doch da war Nasarbajew bereits wieder verschwunden. Die Ankündigung konkreter Schritte überließ er seinem ersten Vizepremier, Oraz A. Jandosov. Ein „Gesetzespaket“ sei in Vorbereitung, doch was darin enthalten sei und was es verabschieden werde, könne er nicht sagen. Nur soviel: „Die Regierung wird die Goldindustrie vollständig privatisieren.“ Kasachstan werde dann in der Lage sein, jährlich 30 bis 50 Tonnen Gold zu produzieren. Des weiteren wird es demnächst möglich sein, privat Grund und Boden zu erwerben. Weitere Details waren dem Vizepremier nicht zu entlocken.

„Wenn Sie Quellen im Finanzministerium haben, fragen Sie die“, erklärte er neugierigen Journalisten. Dann verriet Jandosov doch noch was: „Der Erdöl- und Erdgassektor stehen nicht an der Spitze unserer Liste.“ Die Regierung suche vor allem Partner für die Bereiche Infrastruktur, Bau und verarbeitende Industrie, denn „wir wollen nicht allein auf Öl und Gas setzen“.

Die ausländischen Geschäftsleute hören das nicht so gern. Verspricht doch dieser Sektor die größten Gewinne. 33 Prozent der Exporteinnahmen verdankt das zentralasiatische Land der Ausfuhr von Öl. Und nach Darstellung des Präsidenten der staatlichen KazTransOil, Jerian Upuschew, könnte der Betrag erheblich gesteigert werden, wenn es nur genügend Pipelines gäbe. Fünf bis sechs neue Rohrleitungen sollten deshalb gebaut werden, um Öl und Gas so bis an die türkische Mittelmeerküste zu transportieren. Entweder auf dem Grund des Kaspischen Meeres über Aserbaidschan, Georgien und die Türkei oder über Turkmenistan durch den Iran. Upuschew favorisierte klar den zweiten Weg.

Vor allem US-Präsident Bill Clinton dürfte dies mißfallen. Aus politischen Gründen versucht er eine Pipeline durch den Iran zu verhindern. Washington denkt sogar über Alternativrouten durch Afghanistan und Pakistan nach. Geschäftsleute auf der Konferenz in Almaty waren jedoch zuversichtlich, daß Clinton bald dem massiven Druck der Industrie nachgeben werde. Schließlich sei der Austausch von Öl und Gas zwischen Iran und den Zentralasiatischen Republiken „bereits Realität“, erklärte der Vertreter des US- Ölgiganten Chevron, Philip L. Meek, auf der Konferenz. Auf die Frage, ob Chevron plane, sich an einer Pipeline durch den Iran zu beteiligen, erklärte Meek nur: „Derzeit nicht.“

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