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Reform von oben beendet

■ Umweltressort: Seit eineinhalb Jahren sitzen MitarbeiterInnen jeden Freitag in Reform-Arbeitsgruppen / Ergebnis: Krach und großes Scheitern

Staatliche Verwaltung ist umständlich, zeitraubend, teuer, das weiß jede/r, der oder die einmal mit ihr zu tun hatte, und das wissen die Beteiligten selbst auch. „Verwaltungsreform“ muß deshalb sein, das ist Konsens, um die staatliche Arbeit moderner und „kundenfreundlicher“ zu machen – und auch um Kosten einzusparen. Denn mehr als bei den Leistungen wäre durch einen schlanken Apparat zu sparen, bei den Personalkosten – das ist beim Staat nicht anders als bei jedem privaten Betrieb.

Im Umwelt-Ressort gibt es in besonderer Weise, darüber besteht ein Konsens, das Phämomen der „Vielfachzuständigkeiten“ mit seinen unnötigen Reibungsverlusten, es gibt Doppelarbeit, zu viele Referate und Abteilungen, Mängel in der „Führungs-Kultur“. Als vor zwei Jahren ein Brief des SKP-Staatsrates Johannes Beermann ins Haus flatterte, man solle doch einfach die Verwaltung des kleinen Ressorts (Abteilung 1) mit der der Ressorts Gesundheit und Soziales zusammenlegen und aus den restlichen fünf Abteilungen eine machen, da war die Empörung bis in die Hausspitze groß und man verständigte sich darauf, die Verwaltungsreform zusammen mit den MitarbeiterInnen zu entwickeln, als Prozeß und unter dem schönen Kürzel „OE“. Diese Art der „Organisationsentwicklung“ würde „Zeit brauchen und nicht geradlinig“ verlaufen, unterschrieb auch der Staatsrat Fritz Logemann damals, „im Prozeß gemachte Erfahrungen“ müßten „integriert“ werden. Und daher sind in Bremens Umweltbehörde dutzende der 240 Mitarbeiter freitags nicht an ihrem Arbeitsplatz anzutreffen, sondern sitzen in „Projektgruppen“ und beraten die Reform ihres Ressorts.

Nach zwei Jahren „OE“ ist die Erfahrung des Scheiterns zu integrieren: Mit Datum vom 12. Mai nämlich hat der Staatsrat den „lieben Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern“ schriftlich erklärt, er habe „den OE-Prozeß für beendet erklärt“. Die Fortführung sei „sinnlos“, wenn „das aufgabenkritische Verfahren wegen mangelnder Beteiligungsbereitschaft der MitarbeiterInnen scheitert“.

Das hat die Personalversammlung am 20. Mai mit einer Resolution einhellig und empört zurückgewiesen: Da der „OE-Prozeß“ auf einer „Rahmenvereinbarung“ mit dem Personalrat beruhe, so die Argumentation, könne der Staatsrat diesen Prozeß gar nicht einseitig und von oben für beendet erklären. Im Klartext: Die Mitarbeiter wollen ihre Projektgruppen zur Verwaltungsreform fortsetzen, während der Arbeitszeit, versteht sich, und konstatieren „Ratlosigkeit der Dienststellenleitung gegenüber dem erwachenden Gestaltungswillen der Belegschaft...“ Wenn der Staatsrat sich selbst als Dienststellenleiter ernst nimmt, müßte er in den nächsten Tagen mit Dienstanweisungen und der Androhung arbeitsrechtlicher Maßnahmen die Mitarbeiter an ihren Arbeitsplatz zwingen, wenn sie sich wieder in den Projektgruppen treffen wollen.

„Wir wollen auf jeden Fall weitermachen“, sagt zum Beispiel Kai Demske, Leiter der Projektgruppe „Organisationskultur“. Die Gruppe ist gerade dabei, einen „Workshop für Führungskräfte“ zu organisieren, da habe man „Optimierungspotentiale“ festgestellt, formuliert er diplomatisch. Auch der Staatsrat sollte an dem derartigen Workshop teilnehmen. In den seit eineinhalb Jahren andauernden Sitzungen der Gruppe habe man festgestellt, daß „Organisationskultur“ ein wichtiger Faktor für erfolgreiche Arbeit sei, sowas sei nicht per Beschluß von oben einzuführen. Wenn der Staatsrat jetzt konkretere Ergebnisse haben wolle, dann mache er unnötig Druck, solche Prozesse brauchten Zeit, fünf Jahre mindestens.

Der Staatsrat aber will Ende dieses Jahres Ergebnisse haben, denn wenn es eine Chance gibt, etwas zu verändern, dann zur neuen Legislaturperiode im Mai 1999. Die Mitarbeiter aber haben Geschmack daran gefunden, sich freitags zusammenzusetzen und über ihre Arbeit zu reden. Ihre „Beteiligungsbereitschaft“ hörte nur da auf, wo im Rahmen des „OE-Prozesses“ jeder einmal aufschreiben sollte, welche Anteile seiner Arbeit er/sie für möglicherweise verzichtbar halten würde. An Verwaltungsreform, die getragen ist vom Hintergedanken des Einsparens, so erklärte der Personalrat die Unlust, beteilige man sich nicht.

Also gibt es nach eineinhalb Jahren OE-Projektgruppen keinen Vorschlag, wie die Arbeit des Umwelt-Ressorts moderner und effektiver gestaltet werden könnte. Es gibt einen Krach, bei dem jede Seite um ihren Gesichtsverlust besorgt sein muß. Und es gibt ordnerweise „OE“-Papiere – vollgeschrieben mit bürokratischen Sätzen wie diesem jüngsten Personalrats-Statement: „Auch in der Projektgruppe Kernprozeßanalyse besteht weitgehender Konsens darüber, daß mit dem Ausstieg der Dienststellenleitung aus der Dienstvereinbarung zum OE-Prozeß eine wesentliche Rahmenbedingung entfallen ist, die Arbeiten getragen vom Vertrauen der Kolleginnen und Kollegen fortzuführen...“ K.W.

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