piwik no script img

Umstrittener UNO-Plan gegen Drogen

Auf einer Sondergeneralversammlung in New York soll in dieser Woche ein Zehnjahresprogramm beschlossen werden. Die Möglichkeiten der Kritiker, Gehör zu finden, sind erheblich eingeschränkt  ■ Aus Genf Andreas Zumach

Die UNO will dem internationalen Angebot von Drogen und deren Konsum den Kampf ansagen. Heute tritt in New York eine dreitägige Sondergeneralversammlung der UNO zusammen, um in Anwesenheit zahlreicher Staats- und Regierungschefs einen „weltweiten Aktionsplan zur wesentlichen Senkung des Angebots und der Nachfrage von Drogen bis zum Jahr 2008“ zu beschließen. Entwickelt wurde der Plan, der bei zahlreichen regierungsunabhängigen Organisationen (NGOs) auf erhebliche Kritik stößt, in den letzten zwei Jahren vom Internationalen Drogenkontrollprogramm der UNO (UNDCP) mit Sitz in Wien. Mit der Annahme des Plans sollen sich die Regierungen der 186 UNO-Staaten dazu verpflichten, zahlreiche konkrete Maßnahmen zu ergreifen. So soll der Anbau von Kokabüschen, Schlafmohn und Cannabis durch die Vernichtung illegaler Ernten und die Förderung alternativer Entwicklung deutlich verringert werden. Außerdem will die UNO Angebot und Nachfrage nach synthetischen Drogen durch einen Aktionsplan gegen Herstellung, Handel und Mißbrauch dieser zunehmend beliebten Aufputschmittel reduzieren.

Darüber hinaus sollen wirksame Gesetze gegen Geldwäsche beschlossen werden, die es nach einer Analyse des UNDCP erst in knapp 60 Staaten gibt. Zu diesem Zweck soll die Generalversammlung über die Einschränkung von Bankgeheimnissen und Offshore- Banking diskutieren. Auch das Abzweigen chemischer Vorläufersubstanzen für Drogen aus legalen Chemikalientransporten soll verringert werden, indem bereits bestehende Vereinbarungen zur Überwachung des nationalen und internationalen Handels mit diesen Substanzen verschärft werden.

Und schließlich möchte die UNO eine spürbare Senkung der Nachfrage nach Drogen erreichen. Dies soll durch die Aufstellung von Programmen in den Hauptkonsumentenländern zur Drogenprävention, Behandlung und Rehabilitation umgesetzt werden.

Dieser letzte Punkt wird in dem Entwurf des Zehnjahresplan der UNO zwar als „Schlüssel zur Lösung des globalen Drogenproblems“ bezeichnet. Eine anläßlich der Sondergeneralversammlung gebildete Koalition von über 75 regierungsunabhängigen Organisationen aus zahlreichen wichtigen Hersteller- und Konsumentenländern von Drogen hält dies allerdings für einen Etikettenschwindel. Wie in den früheren, sämtlich fehlgeschlagenen Plänen zur Umsetzung der drei internationalen Konventionen zur Drogenbekämpfung aus den Jahren 1961, 1971 und 1988 werde auch in dem neuen UNO-Aktionsplan die Reduzierung der Drogennachfrage in den reichen Industriestaaten weitgehend vernachlässigt, heißt in einem Ende Mai veröffentlichten Manifest der NGO-Koalition „Für eine gerechte und effektive Drogenpolitik“. Lediglich zwei Prozent der bislang kalkulierten Finanzmittel seien für diese Aufgabe vorgesehen. Statt dessen konzentriere sich der Plan wie seine Vorläufer auf die Verringerung und Vernichtung der Drogenproduktion in armen Ländern des Südens.

Nach Einschätzung der NGOKoalition, der aus Deutschland unter anderen das Institut für Drogenforschung an der Universität Bremen und die Aidshilfe Frankfurt angehören, knüpft der künftige UNO-Plan damit weitgehend an den „Krieg gegen die Drogen“ an, den der damalige US-Präsident George Bush Mitte der achtziger Jahre ausgerufen hatte. Die damit einhergehende Vernichtung von Koka-, Mohn- oder Cannabisanbau habe die Lebensgrundlage Tausender Kleinbauern in Südamerika und anderen Regionen zerstört, ohne diesen eine alternative Lebensgrundlage zu bieten. „Im Rahmen dieses Krieges werden die grundlegenden Menschenrechte derjenigen verletzt, die das schwächste Glied in der Kette des illegalen Drogenhandels bilden“, heißt es in dem Manifest der NRO- Koalition.

Zwar sieht der neue UNO-Plan wie seine Vorgänger auch alternative Entwicklungsprogramme für Kleinbauern vor, die ehemals Drogenpflanzen anbauten. Doch die bisherigen Erfahrungen mit derartigen Programmen sind nicht nur nach Ansicht der NGO-Koalition wenig überzeugend. Laut einem Untersuchungsbericht der Weltbank vom Januar 1996, der wegen seiner Brisanz bis heute nicht veröffentlicht wurde, flossen „seit 1983 über 300 Millionen US-Dollar“ in alternative Entwicklungsprojekte in der Andenregion – „mit dem Effekt, daß zwar in einigen Fällen der Anbau legaler Pflanzen zugenommen hat, aber ebenso der Anbau von Koka“. „Alternative Entwicklungsprogramme allein können keinen ausreichenden Erlös aus legalen Pflanzungen erbringen, der an die hohen Einkommensmöglichkeiten aus dem Kokaanbau heranreicht“, heißt es in dem Weltbank-Bericht.

Die Kritik – nicht nur der NGOs – richtet sich auch gegen den UNO-Untergeneralsekretär Italiener Pino Arlacchi, seit September 1997 Direktor des UNO-Drogenkontrollprogramms und zugleich des Wiener UNO-Sitzes Wien. Auf Mißfallen stößt unter anderem Arlacchis Entscheidung, den afghanischen Taliban als Kompensation für den Verzicht auf den Anbau von Drogenpflanzen bis zum Jahr 2.007 eine Summe von insgesamt 250 Millionen US- Dollar zu überweisen – ohne Rücksicht auf schwere Menschenrechtsverstöße und die massive Diskriminierung von Frauen.

Die Möglichkeiten der NGO- Koalition, ihre Kritik und alternativen Vorstellungen in New York zu Gehör zu bringen, sind erheblich eingeschränkt. Einer ganzen Reihe von NGOs, die als zu kritisch gelten oder bestimmten Mitgliedstaaten nicht genehm sind, hat die UNO die Akkreditierung verweigert. Und die Absicht der NGO-Koalition, zwei kolumbianische Kleinbauern, die Koka anpflanzen, nach New York zu bringen, scheiterte an der Visumsverweigerung durch die US-Behörden. Begründung: Gefährdung der nationalen Sicherheit der USA.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen