piwik no script img

Indien leidet unter extremer Hitze

■ Temperaturen bis zu fünfzig Grad haben 2.000 Opfer gefordert. Gerüchte schwirren über einen Zusammenhang mit den Atomtests

Delhi (taz) – Die Hitzewelle in Indien nimmt immer mehr katastrophale Ausmaße an. Die Zahl der Opfer von Hitzschlag und Sonnenstich hat sich auf rund 2.000 Menschen erhöht. Allein im ostindischen Bundesstaat Orissa sollen in den vergangenen Woche über tausend Menschen an den Folgen des Verlusts von Körperflüssigkeit gestorben sein.

Die Hitzeperiode begann um den 21. Mai. Sie ließ zuerst im westlichen Indien die Temperaturen bis nahe an die Fünfzig-Grad- Marke steigen. Die Zahl der Toten blieb dort geringer, weil die Hitze für die Bewohner von Rajasthan, Madhya Pradesh, der Hauptstadt Delhi und des Gangesbeckens ein alljährlich wiederkommendes Phänomen darstellt, auf das sie besser vorbereitet sind. In den Küstenstaaten Ostindiens dagegen werden die heißen Winde aus dem Landesinneren üblicherweise mit milden Luftströmungen aus der Bucht von Bengalen abgekühlt.

Diese blieben jedoch aus, und die extreme Hitze verband sich mit der hohen Luftfeuchtigkeit zu einer fatalen Mischung. Der schweißtreibende Effekt führt nach Auskunft von Ärzten zu einem raschen Verlust von Mineralien und Flüssigkeit im Körper, und dies resultiert in einer Verdickung des Blutes mit Körpertemperaturen von weit über 42 Grad. Am härtesten betroffen sind jene Personen, die in der Sonne arbeiten – Bauern, Bettler, Straßenverkäufer, Bauarbeiter und Verkehrspolizisten. Über die Hälfte der Opfer sind Frauen und Kinder, ein Viertel ältere Leute. Hinzu kommen die ständigen Stomausfälle.

Orissa hat die Zentralregierung in Delhi gebeten, den Notstand auszurufen, um entsprechende Maßnahmen auszulösen. Der Ruf ist ohne Echo verhallt. Die Regierung ist damit beschäftigt, eine andere Hitzewelle – die internationalen Proteste gegen die Atomtests – abzuschwächen. Wenn man sich als nukleare Großmacht profilieren will, fällt es schwer, sich mit einer dieser alltäglichen Katastrophen abzugeben. Dies gilt vor allem dann, wenn sie wie diese zum Teil selbstverschuldet ist, da sie gerade jene Menschen trifft, deren Gesundheit durch Mangel an Trinkwasser, an Obdach und an ausreichender Nahrung ohnehin geschwächt ist. Es erstaunt nicht, daß nun Gerüchte ins Kraut schießen, die zwischen der Hitze, den Atomtests sowie den Erdbeben in Afghanistan einen Zusammenhang herstellen. Bernard Imhasly

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen